Vom Eurodrama zur Eurokrise - wo stehen wir?
Eurodrama, in mehreren Akten: 2012
13. Eurodrama, achter Akt - die Glaskugel in Davos und anderswo:
Januar 2012: In Davos tagte das Weltwirtschaftsforum, hinterfragte den Kapitalismus in seiner aktuellen Ausprägung und blickte in die Glaskugel der Globalisierung und auch der Zukunft des Euro.
Wir machen uns das einfacher mit einer Zeitreise.
Januar 2015: Griechenland ist schon lange pleite. Der Euro ist unkontrolliert gescheitert, da Deutschland unter dem Druck einer Protestwahl nicht mehr den Löwenanteil eines inzwischen auf 2 Billionen Euro vorgeschlagenen Rettungsfonds tragen wollte. Die Drachme ist um 40 %, die Pesete und die Lira um 20 % abgewertet, die D-Mark um 15 % aufgewertet. Spekulanten haben verdient. Verhandlungen über einen Nordeuro mit von vornherein klaren Verantwortlichkeiten für die Teilnehmernationen sind im Gang.
Im Rückblick, aus der Sicht derer, die eine Gemeinschaftswährung für den Wirtschaftsraum Europa für zielführend halten, was war falsch gemacht worden?
- Infeffektive Gegenwehr gegen die öffentliche Meinungsführerschaft der Akteure, die die "kulturelle Identität" Europas mit dem Bestehen einer Einheitswährung gleichsetzten, um schuldensozialisierende Maßnahmen durchzusetzen.
- Überlassung der Deutungshoheit des Begriffes "Solidarität" denjenigen Akteuren, die darunter keine Geschäftsgrundlage, sondern ein Almosen verstehen wollten, und dadurch Torpedierung des nationalen Selbstverantwortungsprinzips.
- Erpressbarkeit durch den (trivialerweise falschen) Glaubenssatz, eine Alternative zum Euro sei undenkbar und unmöglich.
- Möglichkeit der geordneten Staatsinsolvenz innerhalb des Euro wurde nicht (rechtzeitig) geschaffen.
- Möglichkeit des (freiwilligen) Austritts aus dem Euro für Länder, die die Konvergenz nicht schafften, um mit einer eigenen Währung abwerten zu können, wurde aus politischer Angst vor "den Finanzmärkten" nicht in Erwägung gezogen und nicht geschaffen.
- Die Entwicklung von "no bail out" (Maastricht-Vertrag von 1992) über quasi "bedingungsloser bail out" (etwa 2009-2010, unter dem Schock der globalen Finanzkrise) hin zu einem gemeinsamen Aufräumen des Zinsfallenschadens (ca. 2000 - 2008: Zugang aller, auch schlecht gemanagter Eurostaaten zu billigem Geld) sowie Rückkehr zu "no bail out" gelang nicht rechtzeitig.
Wir kehren wieder zurück ins Jahr 2012.
Nachdem sich die deutsche Öffentlichkeit zum Jahreswechsel wohl hauptsächlich um die Affären ihres Bundespräsidenten, und die italienische wahrscheinlich um die Tragödie der Havarie des Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" vor der toskanischen Küste gekümmert hatte, meldete sich der Euro doch wieder rasch in die Presse zurück.
Es folgen Zusammenfassungen und Zitate aus Pressemeldungen - die Originalartikel sind jeweils in den links nachzulesen.
21.1.12: EU-Partner kommen Berlin bei Fiskalpakt entgegen. Der Europäische Gerichtshof sollte Geldstrafen - bis 0,1 % des BIP - verhängen können, wenn ein EU-Staat die geplante Schuldenbremse nicht wie gefordert in nationales Recht umsetzen würde. Großbritannien hatte sich einer Änderung der EU-Verträge widersetzt, daher war als juristischer Ausweg der Fiskalpakt als zwischenstaatlicher Vertrag vorgeschlagen worden.
Ein Versuch, die nationale Eigenverantwortung mit Hilfe von Sanktionen zu stärken. Großbritannien blockierte aus nationalem Interesse; ob es ansonsten für oder gegen den Fortbestand des Euro arbeitete, war dem Autor zum gegenwärtigen Zeitpunkt unbekannt.
25.1.12: Ein neuer ESM-Vertrag - womöglich nicht der letzte. Die EU-Finanzminister hatten sich auf eine Obergrenze für das Kreditvolumen des "Europäischen Stabilitäts-Mechanismus" (ESM) von vorläufig 500 Mrd. Euro geeinigt. "Der deutsche Anteil beträgt für die Bareinlagen rund 22 Mrd. Euro, für die Garantien 168,3 Mrd. Euro. Für die EFSF [den ersten Rettungsschirm] hat Deutschland Garantien in Höhe von 221 Mrd. Euro übernommen." Der IWF (Internationaler Währungsfonds) hatte bereits eine weitere Aufstockung auf ca. 750 Mrd. gefordert.
Die Forderung des IWF kann interpretiert werden als Wunsch, die Probleme kurzfristig mit mehr Geld (= Schulden) zuzudecken, ohne sich um deren Korrekturmaßnahmen (vertragliche Erzwingung nationaler Finanz-Eigenverantwortlichkeiten) zu kümmern.
25.1.12: Ausgebliebene griechische Revolutionen. "...bisher sind Gesetze stets im Parlament verwässert worden, bevor die Bürokratie damit begann, ihre Umsetzung zu verschleppen." "Ein bezeichnendes Beispiel ist das andauernde Gezerre um die Liberalisierung der geschlossenen, durch eine wachstumsfeindliche Gesetzgebung vom Wettbewerb abgeschotteten Berufszweige." "Während sich griechische Politiker... über unterschiedliche Steuermodelle streiten, bleibt dabei stets unberücksichtigt, dass die Finanzbehörden weder das eine noch das andere Modell zuverlässig umsetzen können. Es mangelt vor allem an der Fähigkeit, Steuern auch tatsächlich einzutreiben."
24.1.12: Merkel vorerst gegen zusätzliche Hilfen für bedrängte Euro-Staaten. "Forderung der IWF-Chefin Lagarde [der Aufstockung des ESM von 500 auf 750 Mrd. Euro] zurückgewiesen." "Frau Merkel [bekräftigte], es solle ein Schritt nach dem anderen getan werden."
Nämlich gleichzeitig mit dem Füllhorn auch Kontrollmaßnahmen wie den Fiskalpakt und ggf. direktere Eingriffe in die Finanzverwaltungen, wie im Falle Griechenland, zur Wirksamkeit zu bringen.
25.1.12: EU erhöht Druck auf Griechenland und die Banken. "Der IWF schloss einen ungeordneten Konkurs [Griechenlands] nicht mehr aus." "[Mit dem bisher vorgeschlagenen Modell: 50 % Verzicht des Nennwertes und Anleihen über 30 Jahre Laufzeit mit einem Zinssatz von 4 %] ... liefe der Forderungsverzicht der privaten Gläubiger auf 65-70 Prozent hinaus. Mit der Forderung der Eurogruppe [3,5 %] wird deutlich, dass der Verzicht höher ausfallen muss." " 'Es ist offensichtlich, dass das griechische Programm aus der Spur geraten ist', sagte Juncker" [Chef der Eurogruppe].
Griechenland schafft die Konvergenz im Euroraum nicht aus eigener Kraft und sollte deshalb zu einer eigenen, abwertbaren, Währung zurückkehren, im Euro- und im nationalen Interesse.
23.1.12: Monti braucht mehr Mut. "Mario Monti, seit zwei Monaten Ministerpräsident Italiens, ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden." "Wäre es allerdings einfach, Reformen gegen die vielen Teilinteressen durchzusetzen, hätten womöglich manche früheren Regierungen etwas mehr geschafft als enttäuschendes Klein-Klein. Selbst Monti scheint nun Zweifel zu bekommen. Vorsorglich hat er schon nach Hilfe aus Europa gerufen. Der Rettungsfonds solle größer, die Zinsen sollten niedriger sein. Solche Forderungen fallen in Italien auf fruchtbaren Boden, denn die vielen Politiker, die in den vergangenen Jahren versagt haben, gaukeln ihren Landsleuten vor, Europa und vor allem Deutschland könnten alle Probleme lösen: mit Schuldengarantie, Eurobonds und ungegrenztem Gelddruck durch die Europäische Zentralbank."
Italien gehört zu den Ländern, die intensiv in die "Niedrigzinsfalle" des vergangenen Jahrzehnts gegangen sind, und es liegt - insbesondere auch innenpolitisch - nahe, dies als Besitzstandswahrung zu fordern. Italien hat inzwischen eine Staatsschuld von 120 % des BIP (Maastrichtkriterium 60 %).
26.1.12: Spanien in Rot. "...das spanische Panorama hat sich seit [dem Amtsantritt des neuen spanischen Ministerpräsidenten Rajoy] erheblich verdüstert." Das Haushaltsdefizit 2011 liege nicht bei sechs, wie von seinem Vorgänger geschätzt, sondern um zwei Prozentpunkte höher bei etwa acht Prozent, die neueste nationale Wachstumsprognose sei von plus 1,5 auf minus 1,5 % korrigiert, und die "horrende Arbeitslosigkeit von 23 Prozent...[könne] noch um eine halbe Million zunehmen." "Ein erster Lichtblick zeichnet sich bei der zähen Reform des Arbeitsmarktes ab."
Anspruchsvolle Verhältnisse für eine Sanierung. Es bleibt abzuwarten, wie Spaniens Gesellschaft, Wähler und Regierung mit dieser Aufgabe zurechtkommen.
27.1.12: Frankreich steht vor einem Linksruck. Sozialist François Hollande hat im Wahlkampf um die Präsidentschaft (Erster Wahlgang April 2012) Position bezogen. Neben der Forderung einer Bankentrennung (Abspaltung des Investmentbanking-Sektors der französischen Großbanken) und einer stärkeren Regulierung und Besteuerung des Finanzmarktes bezog er auch Stellung zu direkten Euro-Themen: "Er bedauert es, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nicht massiv Staatsanleihen kauft, und spricht sich für Eurobonds aus. Den EU-Vertrag vom 9. Dezember zur Bekämpfung der Staatsschuldenkrise will der Sozialist neu aushandeln, indem er Wachstum und Beschäftigung mehr Gewicht zukommen lassen will."
Wahlkampfparolen dienen vorrangig dem Gewinnen von Wahlen, nachhaltigere Ziele können regelmäßig untergeordnet sein. Aus der Eurosicht ist die Befürwortung von Eurobonds als sehr kritisch zu sehen (nach gängigem Verständnis bedeuten diese gleiche Zinsen für alle Länder, bei gemeinsamem Haftungsrisiko, d. h. ein Schritt zurück in die falsche Richtung).
16.1.12: Austritt aus dem Euro ist für Linde-Chef kein Tabu. "...der Vorstandsvorsitzende des Münchner Gase- und Energieunternehmens Linde ist nicht der Meinung, dass die Gemeinschaftswährung um jeden Preis gerettet werden muss." "Er fürchtet..., dass der Reformwille in den Krisenländern nachlässt, wenn am Ende doch immer die Europäische Zentralbank (EZB) eingreift. Falls es... nicht gelinge, die Krisenländer zu disziplinieren, müsse Deutschland aus dem Euroraum austreten..." "Die deutsche Wirtschaft könnte diesen Schock... nach einigen Jahren überwunden haben..." "Das gesamte Szenario sei für ihn nicht wünschenswert, dürfe aber auch kein Tabu sein." "Für Griechenland sieht [er] ohnehin keine Chancen mehr, in der Währungsunion zu bleiben. Griechenland müsse mittelfristig austreten. Die Kapitalmärkte hätten das Thema längst abgehakt."
Die nationale Interessenabwägung wird enttabuisiert.
26.1.12: Banken erarbeiten Euro-Notfallpläne (Quelle: FAZ). "Davos, 25. Januar. Die großen Banken rund um die Welt schließen ein Auseinanderbrechen der Eurozone nicht mehr aus. Sie wollen mit Notfallplänen die Folgen in Grenzen halten. Dies wurde in einer internen Gesprächsrunde von Vertretern der Finanzbranche auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) deutlich."
14. Eurodrama, neunter Akt - die Notenpresse:
Februar/März 2012: Notenbankchef Draghi schoss ein zweites Mal mit der "Dicken Bertha" 500 Mrd. Euro 3-jährig zu 1 % Zins in die europäische Krisenszene, während gleichzeitig der Fiskalpakt unterzeichnet wurde, der die Ausgabendisziplin einfordern sollte. Die Salden der Notenbanken untereinander liefen aus dem Ruder ("Targetsalden"). Wer würde die Zeche zahlen? Mehr.
15. Eurodrama, zehnter Akt - Erdrutsch bei Griechenlandwahl:
März/Mai 2012: In den Wochen vor und nach der Parlamentswahl in Griechenland (6.5.12), die die Koalition der reformbefürwortenden Parteien der Mehrheit und damit der Regierungsfähigkeit beraubte, liefen zu den unterschiedlichen, weiter oben bereits ausführlich diskutierten Themenfeldern der Euro- und Finanzkrise jeweils wieder aktuelle Ereignisse auf.
Alle folgenden Pressenotizen stammen aus der FAZ.
1. Akteur "Deutschland" (deutsche Wirtschaft, deutscher Arbeitnehmer, deutscher Rentner):
"OECD für "Brandmauer" von einer Billion Euro" (28.3.12) / "Knapp 30 Milliarden Euro Mehreinnahmen für den Fiskus" (11.5.12). Während der Krisenfonds "übergangsweise" auf 750 Mrd. Euro aufgestockt werden soll, was für Deutschland ebenfalls "vorübergehend" eine Haftung für ca. 400 Mrd. Euro bedeuten wird (das Target-2-Saldo der Deutschen Bundesbank gegen die griechische Notenbank von grob 100 Mrd. Euro nicht gerechnet), weist eine aktuelle Steuerschätzung für den deutschen Fiskus 30 Mrd. Euro bis 2016, also etwa 7 Mrd. Euro pro Jahr, an Mehreinnahmen aus, die der positiven Wirtschaftsentwicklung geschuldet seien.
Es steht im Raum, dass Deutschland neben seiner relativ gesehen gesunden Struktur als Exportnation vom niedrigen Euro profitiert, d. h. von der Existenz des Euro an sich. Auch wenn die oben genannten Zahlen auf wissenschaftlicher Basis nicht miteinander vergleichbar sind, darf doch der laienhafte gesunde Menschenverstand benutzt werden, um die Relation zwischen 4-500 Mrd. Euro "Risiko" (aufgelaufen in ca. zwei Jahren) und 7 Mrd. Euro "Nutzen" (pro Jahr) qualitativ zu bewerten.
2. Akteur "Griechischer Souverän":
"Starke Verluste für griechische Regierungsparteien" (7.5.12) / "Regierungsbildung gescheitert" (16.5.12). Bei der griechischen Parlamentswahl fielen die Regierungsparteien Nea Dimokratia (ND) und Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok) von 33,5 / 43,9 % im Jahr 2009 auf 20,7 / 14,3 % der Stimmen und verloren damit die Regierungsmehrheit. Drei linke (Syriza / Dimar / Kommunisten) und zwei rechte (Anexartitoi Ellines /Chrysi Avgi) Parteien kamen auf 15,5 / 5,9 / 8,3 bzw. 10,0 / 6,8 % der Stimmen. Eine Regierungsbildung scheiterte, trotz des drohenden Staatsbankrotts, sodass Neuwahlen angesetzt werden mussten.
3. Reaktion der Akteure "Nettozahler":
"Merkel hält an Sparkurs für Europa fest" (11.5.12) / "IWF friert Kontakte zu Griechenland ein" (18.5.12). Die Bundesregierung signalisierte, "Griechenland müsse rasch ein unmissverständliches Zeichen setzen, dass der vereinbarte Reformkurs fortgesetzt werde. Bleibe dies aus, müssten europäische Hilfszahlungen ausgesetzt werden, auch wenn sie schon genehmigt seien". "Ein Wachstum auf Pump würde uns an den Anfang der Krise zurückführen". Der bayrische Finanzminister "warb dafür, einen geordneten Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu prüfen". Der nach der EU zweitwichtigste Geldgeber Griechenlands, der Internationale Währungsfonds (IWF), fror seine offiziellen Kontakte ein. "Wir nehmen zur Kenntnis, dass Wahlen [im Juni 2012] ausgerufen wurden, und freuen uns darauf, mit der neuen Regierung in Kontakt zu treten, wenn sie gebildet worden ist".
4. Akteure "sonstige Euroländer" (europäische öffentliche Meinung):
"Ein nicht mehr ganz so ernster Ernstfall" (16.5.12) / "Sparen für die Griechen?" (15.5.12). "Das politische Spiel zwischen Griechenland und den übrigen Euro-Ländern hat sich geändert: Inzwischen halten alle ein Überleben des Euros ohne Athen für möglich". Und das Risiko eines Dominoeffektes würde - umgekehrt wie früher - bei einer konsequenten Behandlung Griechenlands als fallend angesehen, da "ein griechischer Bankrott Länder wie Spanien, Italien oder Portugal zu noch größeren Reformen anspornen würde". Der zweite Presseartikel beschreibt die Slowakei, in der der Mindestlohn bei einem Drittel des griechischen Mindestlohnes liegt. "Ihr Staat ...verschuldet sich weniger als Deutschland" - und sie sollen für die Griechen sparen?
5. Akteure "verschuldete Euro-Länder":
"Regierung Rajoy beschließt Sparhaushalt" (31.3.12) / "Spaniens Defizit zum dritten Mal korrigiert" (21.5.12) / "Vorerst kein Sparpaket in den Niederlanden" (23.4.12). Die spanische Regierung beschloss einen Sparhaushalt für das laufende Jahr, der die Ausgaben für alle Ministerien um durchschnittlich 16,9 Prozent kürzte. "Rajoys Budget sieht erhebliche Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben, weitere Steuererhöhungen vor allem für große Unternehmen und eine verschärfte Kontrolle der Finanzen der Regionen und Kommunen vor". Allerdings musste die Defizitzahl für 2011 bereits zum dritten Mal von ursprünglich 6,0 % auf nun 8,9 % korrigiert werden.
In den von einer Minderheitsregierung geführten Niederlanden blockierte die diese bisher duldende "Partei für die Freiheit", die islam- und eurokritische Positionen vertritt, ein Sparprogramm, das für 2013 eine Neuverschuldung von 3 % anstrebte.
6. Akteure "Finanzmarkt" und "Kontrolleure des Finanzmarktes":
"JP Morgan verzockt 2 Milliarden Dollar" (12.5.12) / "Europäische Banken müssen Eigenkapital spürbar erhöhen" (16.5.12) / "SPD-Troika will Wachstum mit Finanzsteuer erzwingen" (16.5.12). Ein Wertpapierhändler der größten US-amerikanischen Bank JP Morgan hatte - völlig legal - in großem Stil mit gehebelten Kreditausfallversicherungsderivaten gehandelt und war, so lautet die gängige Theorie, von Gegenspekulanten in die Enge getrieben worden.
Zockereien dieser Art durfte der Steuerzahler in Abwicklung der Finanzkrise 2008 in großem Umfang bezahlen. Man darf fast sagen, dass dieses aktuelle Ereignis ein Glücksfall für die Regulierung der Finanzmärkte war, da es z. B. die in USA für Mitte des Jahres geplante Einführung der "Volcker-Regel" (Geschäftsbanken sollen nicht auf eigene Rechnung mit Wertpapieren handeln dürfen - dies ist den eigenständigen Investmentbanken vorbehalten, die systemunschädlich pleitegehen können) befördern würde.
Die sogenannten Basel-III-Regeln standen nach der Billigung durch das Europaparlament vor der Umsetzung. Sie sehen eine Aufstockung des Eigenkapitals der Banken von 2 auf 7 % bis 2019 vor. Bis zuletzt sperrten sich die Briten, interessanterweise "weil sie noch stärker als jetzt vom Ministerrat vorgesehen über die EU-Vorgaben hinausgehen können wollten".
Führende Mitglieder der SPD sprachen sich für eine Finanztransaktionssteuer aus (die auch der Bundesfinanzminister [CDU] forderte). "Zu hohe Schulden bringen die Staaten in eine gefährliche Abhängigkeit von den Finanzmärkten und sind auf Dauer unsozial".
7. Akteur "Meinungsbildner":
Der Volkswirt, ehemaliges Bahnvorstandsmitglied, Berliner Finanzsenator und Bundesbankvorstandsmitglied Sarrazin veröffentlichte das Buch "Europa braucht den Euro nicht - wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat".
Spätestens seit seiner Veröffentlichung "Deutschland schafft sich ab" (2010) machte er sich als Querdenker, der keine Tabus und Fettnäpfchen scheute, einen Namen. Kommentar des Autors: Ohne einzelne Inhalte bewerten zu wollen, sind Menschen, die kontroverse Positionen argumentativ mit solcher Unbeeinflussbarkeit vertreten, sicherlich ein vitaler Baustein einer lebenden Demokratie.
Die folgenden Zitate stammen aus einem Interview in der FAZ (21.5.12) zur Buchveröffentlichung.
"... der überlieferte Fundus an kultureller Gemeinsamkeit in den europäischen Bildungseliten [geht] zurück. Ersetzt wird er durch eine internationale Kultur, für die Facebook und große Sportereignisse stehen. Die verbinden auch, aber nicht europäisch".
"...die historische Erfahrung zeigt, dass man durchaus zehn, zwanzig, fünfzig oder auch siebzig Jahre gegen ökonomische Gesetzmäßigkeiten regieren kann. Letzlich war der ganze Sozialismus darauf ausgerichtet."
"De Gaulle sagte einmal, Verträge sind wie Blumen und junge Mädchen; sie haben ihre Zeit. Die anderen [nicht-Deutschen] haben unterschätzt, was wir mit der Unabhängigkeit der Notenbank meinen. Sie haben nicht gedacht, dass das No-Bailout-Prinzip bedeutet, dass sie von uns kein Geld bekommen."
"[In der deutschen geldpolitischen Tradition] ist Staatsfinanzierung über die Notenbank völlig undenkbar, geradezu Finanzpornographie." Kommentar des Autors: Ein schönes Bild!
"[Die Brandmauer] halte [ich] für Humbug. Das erinnert mich an die Mauern um die Reaktoren von Fukushima. Für die normale Flut reichen sie aus, sind aber auch nicht notwendig - das ist der Fall Griechenland. Eine Mauer, die halten könnte, müsste für Spanien groß genug sein."
"Die von vielen Politikern suggerierte Katastrophendringlichkeit exisitiert nicht. Europa könnte gut ohne den Euro leben".
[Wie sollen wir nach 10 Jahren Euro entscheiden?] "Wir entscheiden jetzt wie ein Feldherr, dessen ursprünglicher Schlachtplan gescheitert ist. Und der jetzt, da die Hälfte seiner Truppen gefallen ist und der anderen Hälfte die Einkreisung droht, seine Fehler erkennt." "Was tut der Feldherr?" " Er versucht den geordneten Rückzug. Nach Clausewitz ist der geordnete Rückzug aber die schwierigste militärische Operation."
"Die Kosten für die Bürgschaften und Rettungsschirme treten nicht erst ein, wenn sie in Anspruch genommen werden, sondern sie sind es schon, als die Bürgschaften übernommen wurden. Der Rest ist Vollzug."
"Ich bin auch gar kein prinzipieller Gegner von Inflation. Die Türkei macht das ganz toll mit hoher Teuerung, hohem Wachstum und Abwertung der Währung. Das geht bei uns bloß nicht so. Zumal wir eine alternde Bevölkerung haben, die ihren Ruhestand finanzieren muss. Und deren Kapitalstock soll jetzt weginflationiert werden."
Quelle: "OECD für "Brandmauer" von einer Billion Euro" (FAZ vom28.3.12) |
Die Allmendetheorie (s. auch Buchtipps: Elinor Ostrom "Governing the Commons") gestattet es, die Akteure einem einfachen Muster zuzuordnen.
Nach Ostrom lautet auf der Liste der "Bedingungen für erfolgreichen Wandel" einer bedrohten Allmende (in diesem Fall der Währungsunion) die erste Bedingung (s. Allmende-Sichtweise):
"Die meisten Akteure sehen einen Schaden für sich‚ wenn sie die Regeln nicht ändern."
Die Eurozone zerfällt aktuell vereinfacht gesprochen in diejenigen Länder, die in einer mehr oder weniger ausgeprägten Selbstbedienungsmentalität glauben, letztlich Deutschland (und die restlichen Nettozahler) dazu bringen zu können, quasi endlos ihre Zeche zu bezahlen, und in diejenigen, die glauben, dass der Euro nur und nur für diejenigen überleben wird, die sich an die Konvergenzkriterien halten und das No-Bailout-Prinzip genauso berücksichtigen, wie es im Europa vor der Einführung der Gemeinschaftswährung selbstverständlich war.
In dieser Lage ist die oben genannte Allmende-Bedingung klar nicht erfüllt, und die Allmende in Gefahr.
Der Ausweg, "die meisten Akteure einen Schaden für sich" sehen zu lassen, ist einfach: Die größten Nettozahler signalisieren konsequent und politisch öffentlich ihre Verweigerung (und entziehen sich der Erpressung mit der nationalen Position, ein Scheitern des Euro nicht mit Mitteln der eigenen Steuerzahler um kurze Zeit hinauszögern zu wollen) - "wer zahlt, schafft an".
Betrachtet man die Graphik rechts (die Zahlen sind bereits veraltet und zu klein, die Reihenfolge dürfte jedoch gleich geblieben sein), zieht die hochverschuldeten Länder wie Italien, Spanien, Griechenland, Portugal ab, und berücksichtigt, dass Frankreichs frisch gewählter Präsident Hollande im Gegensatz zu seinem Vorgänger aktuell die Position vertritt "alle Länder der Eurozone müssten zu günstigen Konditionen Zugang zu Kapital erhalten" (s. "Deutschland kämpft in Brüssel gegen Eurobonds" (24.5.12), wird klar:
Ein Land hat in der Hand, ob der Euro überlebt: Deutschland.
Deutschlands konsequente Drohung, den Euro platzen zu lassen, ist das politisch einfachste und möglicherweise einzige Mittel, ihn zu retten.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Meinungsänderung der größten deutschen Oppositionspartei, der SPD: "SPD rückt von Eurobonds ab" (24.5.12): "Nichtöffentlich [wird] darauf verwiesen, dass die SPD zu der Erkenntnis gelangt sei, dass eine Vergemeinschaftung von Schulden in der deutschen Bevolkerung höchst unpopulär sei."
Politiker, auch deutsche, arbeiten üblicherweise mit einem erheblichen Bruchteil ihres Engagements für die nächste Wahl, sodass letztlich der entscheidende Treiber des Prozesses die deutsche Öffentlichkeit, die deutschen Wähler sind. Signalisieren sie Passivität oder Desinteresse, mag die (jede) Regierung den Schwung verlieren, ihre Position konsequent gegen außenpolitische Widerstände durchzuhalten.
Werden die deutschen Garantien dann über die heutigen 400 Mrd. Euro weiter auf 600 Mrd., 1000 Mrd. ... angestiegen sein (zum Vergleich: Der Bundeshaushalt beträgt ca. 300 Mrd. Euro jährlich; 400 Mrd. Euro Gesamtsumme entsprechen etwa 5000 Euro pro Einwohner), kann man sich ausmalen, dass eine neu gegründete "Eurexit"-Partei die Wahlerfolge der Piraten schlagartig in den Schatten stellen könnte. Den dann aufgelaufenen größeren ökonomischen Schaden für deutsche Arbeitnehmer, Sparer, Rentner und deren Kinder wird das aber nicht mehr zurückdrehen können.
16. Eurodrama, elfter Akt - Merkel: "Keine Schuldengemeinschaft solange ich lebe"
Mai-Juli 2012: Beeinflusst durch die Nachwahlergebnisse in Griechenland wurde die politische Chance, dieses Land geordnet aus dem Euro zu entlassen, wieder nicht genutzt. Die "griechische Krankheit" breitete sich (deshalb?), von vielen seit langem vorausgesehen, auf Spanien und Italien aus: Nachdem die deutsche Bundeskanzlerin Merkel nichtöffentlich und sicherlich aus dem Zusammenhang gerissen - dafür aber politisch um so wirkungsvoller - zitiert gesagt haben soll: "Es wird keine Schuldengemeinschaft geben, solange ich lebe", stimmte sie nur drei Tage später auf dem Brüsseler Krisengipfel einer Verwendung des ESM ("Rettungsschirm") zur direkten Unterstützung maroder Banken, ohne nennenswerte Gegenleistung, zu.
Pressemeldungen im Einzelnen:
1. Gespräche zur Krise - ein Interview mit dem deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn.
Auszüge:
"Wenn die Sache knallt, haben wir diese 640 Milliarden Forderung [Target-Saldo der Bundesbank] gegenüber einem System, das es dann nicht mehr gibt." Daraus folgt für Sinn, "dass wir erpressbar geworden sind. Die Verhandlungsposition im Normalfall hängt davon ab, was im Katastrophenfall passieren könnte." "Wir haben die letzten Jahre für Hunderte von Milliarden Euro netto in die anderen Euroländer exportiert und haben dafür nichts als Target-Forderungen bekommen. Der Süden hat einfach anschreiben lassen."
[Zur Frage, wie die USA seit der Finanzkrise mit diesem Problem - Leistungsbilanzdefizite ihrer Bundesstaaten - umgegangen sei] "Auch die amerikanischen Target-Salden sind in der Krise zunächst angewachsen, aber mittlerweise sind sie bis auf 21 Milliarden Dollar getilgt. In der Eurozone stehen stattdessen 947 Milliarden Euro auf der Kreidetafel, und die Summe wuchs in letzter Zeit progressiv. Das Eurosystem wird durch die Umfunktionierung der Ersparnisse der Deutschen, Holländer und Finnen gerettet, "leider", fügt Sinn hinzu, "ohne dass die Sparer oder ihre Abgeordneten das überhaupt wissen oder verstehen".
"Die Politik verkündet das Dogma, dass jedes Land mit Hilfskrediten im Euro gehalten werden muss, obwohl es nicht wettbewerbsfähig ist, weil sonst angeblich Europa untergeht." Das stehe in Wahrheit hinter der Formel "Zeit kaufen" - es wird Zeit gekauft für die jetzigen Eigentümer dieser Papiere.
[Zum Geldeintreiben] "Das kann ich mir nicht als friedlichen Prozess vorstellen. Mein Europa war eigentlich eines der guten Nachbarschaft, wo man sich auch mal hilft, wo man ordentlich miteinander umgeht, freundlich sich besucht, in Austausch tritt. Keines, in dem man mit seinen Freunden ungeheure Schuldverhältnisse eingeht."
[Zum Austritt Griechenlands] In Griechenland seien solche Erwägungen aber politisch tabu, weil die Griechen wüssten, dass sie, wenn sie im Euro bleiben,weiter gestützt werden müssen, und die Banken in Euro verschuldet sind. Die EU liebe soche Überlegungen auch nicht, weil sie die Transferunion nur dann erzwingen könne, wenn der Austritt zum Super-Gau stilisiert wird.
[Zur Ansteckungsgefahr] Man müsse die daraus [aus dem Griechenlandaustritt] resultierenden Gefahren mit dem Risiko der Dauerfinanzierung dieser Länder vergleichen. "Ich halte Erstere für überschaubar und Letztere für riesig, denn die Summen, um die es geht, sind riesig. Griechenland hat... inzwischen etwa 460 Milliarden Euro erhalten. Das Nettonationaleinkommen dieses Landes liegt bei 170 Milliarden Euro jährlich. Man hat also das Zweidreiviertelfache des Nettonationaleinkommens gegeben."
[Zur Wettbewerbsfähigkeit] Die bittere Wahrheit, um die niemand herumkommt, ist für Sinn, dass eine Exportindustrie nur entsteht, wenn man sich das Geld selbst verdienen muss, um die Importgüter zu kaufen." Die EU... [habe] mit ihren Hilfen die Exportindustrie des Landes zerstört... "Geldgeschenke erzeugen immer nur Lebensstandard unter Vernichtung von Wettbewerbsfähigkeit".
"Es gibt eine gute Zukunft für die Griechen - aber ohne Euro. Ein schweres Jahr, dann erholen sie sich."
"Wen retten wir, wenn wir behaupten, die Griechen zu retten? Die Portfolios an der Wall Street."
[Was sei dem Deutschen und seinen Kindern zu raten] "Gewiss nicht, das Land zu verlassen."... "Konzentration auf das naheliegende Unmittelbare: lieber das Bad renovieren als komplizierte Zertifikate kaufen. Ansonsten aber wäre auch zu raten: Werdet mündige Bürger und lasst das nicht alles mit euch geschehen. Denn ihr seid es ja, die das kurzfristige Denken langfristig werdet ausbaden müssen."
2. Die Positionierung Frankreichs zur "Schuldenunion"
"Doch während Berlin die Haftung für die Schulden anderer Eurostaaten noch für tabu erklärt, will Frankreichs neuer Präsident Hollande genau das, lädt Brüssel mit diesem Thema zum nächsten Krisengipfel."
"Seltsamerweise kann auch der Opposition in Deutschland der Marsch in die Schuldenunion nicht schnell genug gehen. Sie alle wollen die Euro-Krise vom Tisch bekommen, indem sie einfach die Deutschen und zwei, drei andere Nationen die Rechnungen zahlen lassen."
"Wer die Frage stellt, warum ausgerechnet jetzt in der Eurozone Schulden vergemeinschaftet werden sollen, ohne dass man Staaten daran hindern kann, neue Schulden aufzunehmen, wird als Antieuropäer verunglimpft."
3. "Briten führen Trennbanken ein"
"Die britische Bankbranche wird in eine Art modernes Trennbankensystem umgewandelt. Die Regierung hat jetzt in einem Weißbuch ihr Konzept vorgestellt, wie sie bis zum Jahr 2015 die Abkoppelung des traditionellen Bankgeschäftes vom riskanteren Investmentbanking durchsetzen will."
Kommentar: Die Briten - Europäer ohne Euro - bringen ihren Laden eigenverantwortlich in Ordnung.
4. "Mühsal in Athen"
Die Neuwahlen in Griechenland hatten für Nea Dimokratia (ND) und Pasok eine knappe absolute Mehrheit ergeben, beides Parteien, die einen Verbleib in der Eurozone befürworteten.
"Nach der Wahl vor sechs Wochen waren die Griechen mit ihrem Latein bald am Ende; sie konnten keine Regierung bilden, es kam zu Neuwahlen. Dieses Mal ist die Lage nicht viel weniger kompliziert..."
"Überhaupt könnten so manche Leute noch ihr blaues Wunder erleben, sollte der vermeintlich proeuropäische Konservative Samaras [Führer der stärksten Fraktion ND] neuer Regierungschef werden. Er war schließlich derjenige, der während der Regierung Papandreou von Reformen wenig, von Sparen nichts wissen wollte."
5. "Gegner warnen mit drastischen Worten vor dem ESM" vor dessen Abstimmung im Bundestag.
"Wissenschaftler, Familienunternehmer und weitere Persönlichkeiten warnen vor einer unbegrenzten Haftung Deutschlands für Schulden anderer Länder. Sie halten die bisherige Rettungspolitik im Euroraum für gescheitert."
"...faktisch werde Deutschland damit in die Pflicht genommen, den Weg weiterzugehen, wenn etwa Spanien und Italien strauchelten."
"Anstatt den ESM einzuführen, sollte man Länder zum Austritt aus der Eurozone zwingen können, die permanent gegen die gemeinsamen Regeln verstoßen. Dies erreiche man, indem die Europäische Zentralbank deren Wertpapiere nicht länger als Sicherheiten akzeptiere."
[Der Bund der Steuerzahler] "...bezeichnete ihn [den ESM] als undemokratisches Ungeheuer, da er und seine Organe vollkommene Immunität genössen."
"Wenn man so weitermache, müsse es anders als von Bundeskanzlerin Angela Merkel postuliert nicht heißen: 'Scheitert der Euro, scheitert Europa', sondern: 'Europa wird am Euro scheitern.'"
6. "Nördliche Euroländer ermahnen Griechenland"
" Während die neue Regierung in Athen zwei Jahre mehr Zeit für die Erfüllung der ihr auferlegten Sparziele fordert, wollen mehrere nördliche Euro-Staaten eine solche Anpassung verhindern. 'Es wird keine Abschwächung der Bedingungen geben', sagte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager..."
"In Luxemburg sagte die finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen, Griechenland müsse 'einhalten, was es unterschrieben habe.'"
Kommentar: Die Lagerbildung "Geberländer" vs. "Nehmerländer" ist zu erkennen. Euroland spaltet sich.
7. "Warum auch Spanien auf einen Euro-Austritt zusteuert" (Standpunkt des in der Schweiz arbeitenden deutschen Ökonomen Harald Hau)
Die EZB (Europäische Zentralbank) senkte abermals die Anforderungen an die Pfänder, die Nationalbanken bei ihr beleihen dürfen. Für Baukredite z.B. wurde das Rating auf "BBB" gesenkt. Der zusätzliche Beleihungsspielraum wurde auf ca. 100 Mrd. Euro geschätzt.
Zitat aus der FAZ vom 23.6.12 unter der Überschrift "Zombiebanken der EZB":
"Um die Abwicklung griechischer Banken ohne Geschäftsmodell zu verhindern, hat sie [die EZB] ihren Anspruch an Sicherheit so weit gesenkt, dass sie sogar Transferrechte spanischer Fußballer annimmt. Für Spanien geht die EZB nun noch weiter... Sie akzeptiert auch fragwürdige verbriefte Immobilienkrediete (solche Schrottpapiere lösten in Amerika die Weltfinanzkrise aus). So werden die Risiken und Kosten der Spekulationsblase am spanischen Häusermarkt über die EZB-Bilanz sozialisiert, während Boni-Banker der Zombiebanken ihre Gewinne einstreichen."
Der an der Universität Genf lehrende Harald Hau äußert sich hierzu folgendermaßen (Quelle s.o.):
"Anders als in Griechenland ist der private Sektor die Ursache der Krise [mit ca. Dreiviertel der 2,4 Billionen Euro Bruttoschulden]".
"...vermutlich dürfte der Gläubigeranteil angelsächsischer Investoren den der Gläubiger der Eurozone noch übertreffen. Besonders die privaten Investmentfonds verstehen die Zuspitzung der spanischen Schuldenkrise und versuche ihr Kapital zu retten und Zeit für ihren Rückzug zu gewinnen. Wie im Fall von Griechenland ist die größte Hoffnung der privaten Gläubiger nicht eine Verbesserung der Situation des Schuldnerlandes, sondern das finanzielle Engagement des europäischen Stuerzahlers. So finden alle Strategien einer Vergemeinschaftung der Schulden durch den ESM, Eurobonds oder eine Bankenunion die größte Zustimmung in Washington und London. Gleichzeitig herrscht dort die allergrößte Skepsis, dass dieses hochriskante finanzielle Engagement der Eurostaaten die Krisendynamik wirklich wenden kann."
"Eine Krisenstrategie, die sich vor allem auf vage Hoffnungen einer zukünftigen europäischen Stabilitätsunion gründet, ist [daher] extrem gefährlich. Die chaotische griechische Politikentwicklung unterstreicht den utopischen Charakter einer solchen Politik."
"Eine vorübergehende Wiedereinführung von Kapitalkontrollen und eine Verkleinerung der Eurozone auf Kernstaaten kann wahrscheinlich nicht verhindert werden; und es ist auch nicht im deutschen Interesse, diese um jeden Preis verhindern zu wollen. Eine klügere Strategie besteht darin, sich auf ein Ausscheiden einzelner Peripheriestaaten vorzubereiten und sich mit seinen engsten Partnern dementsprechend abzustimmen."
8. "Vierergruppe fordert mehr Kompetenzen der EU-Ebene"
Der EU-Ratsvorsitzende Van Rompuy (Europäischer Rat = Gruppe der Regierungschefs), der Kommissionspräsident Barroso (Europäische Kommission = Exekutive mit je einem Kommissar pro Land), Eurogruppen-Chef Juncker (Eurogruppe = Überwachungsgremium für die Regeln des Euroraumes ohne Entscheidungsbefugnisse) und der Präsident der EZB Draghi forderten eine "echte Wirtschafts- und Währungsunion". Der Vorschlag beinhaltete eine "Fiskal- und eine Bankenunion, wozu das Papier konkrete Optionen ausführt."
"Sie nennen [aber] mehrere Optionen, wie 'mittelfristig' die gemeinsame Schuldenaufnahme als Element einer Fiskalunion eingeführt werden könnte."
Die Bundesregierung kritisierte den Bericht der "Vierergruppe" umgehend (Quelle: FAZ vom 28.6.12, "Merkel: Vorschläg der Vierergruppe sind ökonomisch falsch".
"'Ich widerspreche entschieden der in dem Bericht niedergelegten Auffassung, dass vorrangig der Vergemeinschaftung (von Schulden) das Wort geredet wird', sagte sie. Frau Merkel fügte an: 'Ganz abgesehen davon, das Instrumente wie Eurobonds, Euro-Bills, Schuldentilgungsfonds und vieles mehr in Deutschland schon verfassungsrechtlich nicht gehen - ich halte sie auch ökonomisch für falsch und kontraproduktiv.'"
9. "Die dramatische Warnung des Europaparlamentes" Zu einer Rede des Europäischen Parlamentspräsidenten Schulz
"Es geht um Fragen wie: Verändert der Zeitdruck die demokratischen Prozeduren? Wo ist der kritische Punkt erreicht, an dem Demokratie in Autoritarismus umschlägt? Wie kann eine Handlungsfähigkeit just in time gewährleistet werden, ohne deren demokratische Grundlage zu beschädigen?"
"...ein Hintergehen der demokratischen Standards beim europäischen Eingungsprozess [erscheint] als etwas Unverzeihliches, das die europäische Idee verhöhnt. Mit anderen Worten: Europa lässt sich nur demokratisch einigen oder gar nicht."
"[der Vorschlag der Vierergruppe, s.o.] kam ohne Mitwirkung des Europäischen Parlaments zustande."
"Kein Verständnis verdiene es, wenn diese Lage ausgenutzt wird, um im Herzen des neuen Europas einen Autoritarismus zu installieren."
"Der Notfall wird zur Regel erklärt."
"Schon jetzt sammle sich im Europaparlament Widerstand gegen den exekutiven Stil der vollendeten Tatsachen. Eine Mehrheit der Abgeordneten über alle Fraktionsgrenzen hinweg rebelliere 'in einem Ausmaß, wie ich es in meiner achtzehnjährigen Tätigkeit als Abgeordneter noch nicht erlebt habe.'"
10. Krisengipfel in Brüssel mit Schwerpunkt Spanien und Italien - Vorbereitung und Ergebnis
"Merkel zieht mit klarer Kampfansage in den EU-Gipfel"
"'Solange ich am Leben bin' werde es Euro-Bonds als gemeinschaftliche Haftung für Schulden von EU-Ländern nicht geben, hatte Merkel in einem Treffen mit der FDP-Fraktion gesagt."
Zu Beginn des Gipfels: "Streit über Einführung neuer Hilfsmechanismen"
"Zu Beginn des Euro-Gipfels haben die Regierungschefs Italiens und Spaniens, Monti und Rajoy, finanzielle Unterstützung mit neuen Mittel gefordert. Berlin hingegen will nicht neu verhandeln."
"'Wir finanzieren uns zu Kosten, die zu hoch sind', sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy. Das mache alle Reformbemühungen sinnlos. Er verlangte abermals eine direkte Finanzierung der Banken durch den EFSF oder die EZB."
Der italienische Minsiterpräsident Marion Monti sagte, falls die Italiener entmutigt würden, könne das politische Kräfte freisetzen, die den Euro 'zur Hölle fahren lassen.'"
Kommentar: Im allgemeinen Sprachgebrauch nennt man solche Art von Argumentation Erpressung.
Beschlüsse des Gipfels: "Direkte Bankenhilfe - Erleichterter Zugang zum Rettungsschirm"
Die direkte Bankenhilfe aus dem ESM wurde beschlossen (Kernforderung von Spanien). Die Kredite der Europartner sollen keinen Vorrang vor Krediten der Privatgläubiger haben. Der Zugang zum Rettungsschirm bedürfe keines zusätzlichen Anpassungsprogramms mehr (auf dringenden Wunsch von Italien).
Kommentar: Es wurde nicht nur der reale Schenkungscharakter des Rettungsschirms weiter vorangetrieben, sondern auch noch "mit vollem Bewußtsein" die Finanzwirtschaft in den Kreis der Beschenkten weiter integriert.
"Die Vertiefung der Eurozone wird vorangetrieben. Die Euro-Chefs einigten sich auf die Baustellen: Den Aufbau einer Banken-Union, einer Fiskal-Union und einer politischen Union."
Nach dem Gipfel:
Kommentar: Dem Autor dieser Zeilen scheint es unglaublich.
Wenn ein durch technischen Defekt von der Lok gelöster Personenzug auf einer Steigungsstrecke das ungebremste Rollen beginnt, und das Ziehen der Notbremse versagte, möchte man den Passagieren zurufen: "Abspringen, abspringen!" In Brüssel ruft man den Passagieren zu: "Gründet einen Arbeitskreis, wie solche Unfälle in der Zukunft vermeidbar sind", während die Waggons in den Abrund zu rasen beginnen.
Die Neue Züricher Zeitung formulierte das etwas gepflegter. "Ratlos am Abgrund"
"...das Plädoyer für eine Kastration der nationalen Parlamente durch den Tranfer ihres Budgetrechts nach Brüssel lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Hingegen fielen Van Rompuy und seinen Mitautoren nur wenige Zeilen zur demokratischen Legitimation einer massiv gestärkten zentralen Bürokratie ein. Diese Zurückhaltung hat ihre Gründe... weil man auf diese Weise hofft, Deutschland zur Vergemeinschaftung der Schulden bewegen zu können...."
Um eine weniger weit gehende EU-Verfassung auszuarbeiten,waren zu Beginn des Jahrtausends lange Debatten nötig - die Verfassung kam trotzdem nie zustande. Es war daher von Anbeginn eine irrwitzige Idee anzunehmen, man könnte unter dem akuten Zeitdruck der Schuldenkrise die EU von Grund auf umgestalten."
"Die Diskussion über die politische Union ist vielmehr Ausdruck tiefer Ratlosigkeit."
"Der Euro, einst als Instrument der Einigung gedacht, spaltet zugleich die EU immer weiter: Die Südländer kämpfen nur für ihre nationalen Belange; ob eine Schulden-Union Deutschland überforderte und damit die Krise verschlimmerte, interessiert sie nicht. Ein Ertrinkender greift eben nach jedem Rettungsring."
"Solange die Hauptbetroffenen der Krise nicht Verantwortung für das eigene Schicksal übernehmen, wird das Vertrauen in den Euro nicht zurückkehren."
11. Abstimmung im deutschen Bundestag über "Fiskalvertrag" und ESM. "Ein Pakt für mehr Haushaltsdisziplin"
Die Vorlagen wurden mit Zweidrittelmehrheit gebilligt.
Was steht im Fiskalvertrag? Er sieht eine Selbstverpflichtung der Unterzeichnerstaaten vor, eine Schuldenbremse im nationalen Recht zu verankern, "vorzugsweise mit Verfassungsrang". Es sind Verschuldungs- und Defizitgrenzen ähnlich den Maastricht-Regeln definiert. Neu kommen Strafzahlungen in Höhe von maximal 0,1 Prozent des BIP hinzu.
"Lassen sich die Strafzahlungen auch durchsetzen? - Das Problem: Wenn ein Land wie Griechenland am finanziellen Abgrund steht und Hilfen von den übrigen Euroländern erhält, könnte das darauf hinauslaufen, dass diese letztlich für die Sanktion zusätzlich aufkommen müssen."
"Schließt der Fiskalpakt politische Absprachen in Brüssel zur Aushebelung von Strafzahlungen aus? - Nein, auch wenn die Hürden höher werden. Das Grundproblem ist stets dasselbe: Potentielle Sünder entscheiden über Sünder."
Kommentar: Woran soll man glauben, wenn man das liest? Sicherlich nicht daran, dass der Fiskalvertrag eingehalten werden wird. Selbst die deutschen Bundesländer, die vergleichsweise sicherlich zu den solideren Finanzierern gehören, haben ihre Verhandlungssituation (für die Zustimmung) flugs genutzt, sich alle Sanktionsrisiken bis 2019 vom Bund bezahlen zu lassen. Man lernte rasch dazu, wie auf europäischer Ebene die Trennung von Ausgaben und Verantwortung wegzuverhandeln.
12. "Eilanträge gegen Fiskalpakt und ESM"
"Nach der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum Fiskalpakt und dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM muss nun das Bundesverfassungsgericht über die zugrunde liegenden Verträge entscheiden. Binnen weniger Stunden gingen in Karlsruhe sechs Klagen ein."
Mitglieder von CSU, SPD und Linken, der Verein "Mehr Demokratie" (mit über 12000 Unterschriften nach Angaben der Organisatoren) und andere reichten Verfassungsklage ein.
"Die Kläger kritisieren vor allem, dass durch Fiskalpakt und ESM tief in das Budgetrecht des Bundestages eingegriffen werde."
"Däubler-Gmelin [SPD] sagte: 'Wir klagen gegen die Verträge, weil sie einen Demokratieabbau im doppelten Sinne bedeuteten. Zum einen werden unwiederbringlich Haushaltskompetenzen und Souveränitätsrechte des Bundestages nach Brüssel abgegeben...' Zum anderen laufe die Ratifizierung hektisch und an der Bevölkerung vorbei."
Zusammenfassender Kommentar des Autors
1992 hatte sich die Europäische Union mit dem Vertrag von Maastricht eine Wellness-Kur verordnet, um sie 1999 mit Einführung des Euro anzutreten.
Heute ist aus der Stärkungsvision ein kranker Patient hervorgegangen, der bereits an einer multifaktoriellen Krankheit leidet:
1. Das "Moral-Hazard-Syndrom" (frei übersetzt "Verführungssyndrom"):
Wer ein Geldgeschenk bekommt, wer ist so uneigennützig, es auszuschlagen? Wie soll eine spanische Regierung, die ein solches Geschenk ausschlagen würde, an der Macht bleiben? Wer erwartet von einem italienischen Wähler, dass er weniger haben möchte als sein griechischer Kollege? Die menschliche Natur gibt das üblicherweise nicht her.
2. Das Allmende-Syndrom ("Tragik der Allmende"):
Wenn die Schäfer auf der Gemeindewiese nicht mehr gemeinsam die Wiese langfristig erhalten wollen, sondern einzelne Schäfer auf Kosten anderer überweiden, und einige Schäfer überhaupt kein Interesse an einem langfristigen Erhalt der Wiese haben, wird die Wiese zugrunde gehen. Der Finanzmarkt optimiert nur seinen kurzfristigen Profit, und Südländer haben einen Selbstbedienungsladen ohne Kasse und Aufsicht entdeckt (s. auch Syndrom 1).
3. Das Parasiten-Syndrom:
Wer ständig "gerettet" wird, sind nur zur Minderheit in Not geratene Bürger, sondern Boni-Banker, Großanleger, die ihr spekulatives Risiko mit Begeisterung abzugeben gelernt haben, ineffiziente Regierungssysteme mit Steuerhinterziehern und überzogenen Renten-/Beamtenansprüchen, reiche Steuerflüchtlinge, ineffektive Wirtschaftseinheiten. Diese Parasiten leben vom Fleiß, der Leistung, Produktivität und (Steuer-)Ehrlichkeit der Arbeitenden und Sparenden.
4. Das Demokratieschwund-Syndrom:
Die aus dem Ruder laufende Entwicklung, deren Akteure sich angewöhnt haben, aus dem Notfall den Normalfall zu machen, unterminiert die demokratischen Prozesse, auf nationaler und europäischer Ebene.
In der europäischen Demokratiegeschichte war die englische Bill of Rights von 1689 ein wesentlicher Baustein, und einer ihrer Kernpunkte war die Genehmigung und Verwendung der Steuern, ein Thema, das sich in "No taxation without representation" in der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung fortsetzte.
Wir (Europäer) sind dabei, unser eigenes politisches System zu zerstören.
Als Europäer, als Deutscher und als Vater formuliert der Autor dieser Seite die folgende Aufforderung an die politisch Handelnden:
Eine Bürgerinitiative begann im Februar 2012 Unterschriften gegen den ESM zu sammeln.
Und wer noch lachen kann...
Quelle: faz.net vom 5.7.12 |
13. Aufruf zum Protest:
"172 Professoren rufen zum Europrotest auf" (FAZ vom 6.7. 12)
"Gegen die kollektive Haftung einer Bankenunion"
"In einem eindringlichen öffentlichen Aufruf haben 172 deutschsprachige Wirtschaftsprofessoren die Beschlüsse des EU-Gipfeltreffens der vergangenen Woche als falsch verurteilt."
Rechts ist der Text abgedruckt.
Er schließt mit dem Appell:
"[Liebe Mitbürger...] bitte tragen Sie diese Sorgen den Abgeordneten Ihres Wahlkreises vor..."
Es folgen links zur Ermittlung der Namen der Abgeordneten und zur Kontaktaufnahme.
Bundestagsabgeordnete:
abgeordnetenwatch.de
Dort finden Sie per Postleitzahl die Abgeordneten Ihres Wahlkreises mit direkter Kontaktmöglichkeit.
Alternativ eine alphabetische Namensliste
Deutscher Bundestag - Abgeordnete
Landtagsabgeordnete:
Auf der obigen Seite, z. B. für Baden-Württemberg
abgeordnetenwatch.de-Landtag BW
Diese Internetseite ist nur in acht Bundesländern aktiv.
Alternativ z. B. für Baden-Württemberg
Namensliste nach Parteien und Wahlkreis
oder für Rheinland-Pfalz
Interaktive Landkarte mit Wahlkreisen
Textvorschlag:
Sehr geehrte Abgeordnete,
in Bund und Ländern, als Regierung oder Opposition, Sie vertreten die Interessen Ihrer Wähler. Der Euro in der jetzigen Form war ein Experiment für Europa, und dieses ist gescheitert. Hören Sie endlich auf, gegen die menschliche Natur (Verführung durch geschenktes Geld), gegen den Markt (Trennung von unternehmerischem Nutzen und Risiko) und gegen die einfachsten Regeln der Volkswirtschaft (hohe Lohnstückkosten führen zu Abwertung oder Staatspleite) Geld, das nicht Ihres ist, sondern das Ihrer Wähler, zum Fenster hinauszuwerfen.
Wollen Sie wirklich warten, bis eine Euro-Piratenpartei aus dem Stand 20% erringt, der Rest der Protestwähler nach links und rechts abwandert und Deutschland unregierbar wird?
Halten Sie inne, und handeln Sie – jetzt!
Mit freundlichem Gruß
17. Eurodrama, zwölfter Akt - Draghis "Drachensaat":
September 2012:
Am 6.9.12 beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) unter ihrem Vorsitzenden Draghi (Bild rechts), Staatsanleihen von Euro-Ländern, die "zu hohe" Zinsen am Markt zahlen müssten, in unbeschränkter Höhe anzukaufen, um diese Zinsen zu senken. Der Bundesbankpräsident Weidmann stimmte als einziges Mitglied des Rates der EZB dagegen. Das Programm sei zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Die Neue Züricher Zeitung, als Schweizer Presseorgan einer regionalen Parteinahme eher unverdächtig, formulierte folgendermaßen: "Die Drachensaat Draghis geht nur unter drei Bedingungen auf. Die Politiker der Schuldnerländer müssen sofort die Wettbewerbsfähigkeit und ein saniertes Budget mit dem Brecheisen herstellen, die Bürger dieser Staaten müssen an die Fortexistenz des Euro glauben und ihr Geld vom Norden weg wieder in ihre Banken einlegen, und die weltweite Anlegerschaft muss freudvoll den ESM-Fonds und die Staatsschulden finanzieren." (NZZ vom 9.9.12) mehr |
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Quelle: NZZ 9.9.12 Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank Laufbahnpositionen: IWF, Bundeskanzleramt |
Quelle: Int. Herald Tribune 7.9.12 Mario Draghi, Präsident der EZB (Europäische Zentralbank) Laufbahnpositionen: Weltbank, Goldman Sachs, Ital. Nationalbank |
18. Eurodrama, Zwischenspiel - Europa am Scheideweg:
November 2012:
- EZB-Finanzierung einer zusätzlichen "Überbrückung" für das zweite Hilfspaket des vor dem Staatsbankrott stehenden Griechenland nicht mehr widerstandslos durchgewunken
- EU-Haushaltsgipfel für den Etatrahmen 2014-2020 im ersten Anlauf gescheitert, u.a. zwischen den Briten, die die EU-Verwaltung kürzen wollen, den Franzosen, die die Agrarförderung erhöhen wollen, 15 Süd-/Ostländern, die den Kohäsionsetat erhöhen wollen, und Schweden, Niederlande, Deutschland, die mit Großbritannien für eine stärkere Gesamtreduzierung sind
- In Deutschland formiert sich erstmals eine Partei gegen die "Euro-Rettungspolitik" - die Freien Wähler
Nach der politischen und wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte der Römischen Verträge (1957) nun die Zerreißprobe der Währungsunion: Spaltet der Euro Europa? Mehr
19. Eurodrama, Zwischenspiel - Aufgespießtes:
Dezember 2012:
Vorweihnachtliche Pressesplitter zu Europa und Finanzkrise. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Viel Spaß beim Lesen! Mehr
Stand Dezember 2012