__________________________________ Das Buch: "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

______________________________________________ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Globale Nahrungsknappheit: Prinzipielle Steuerparameter für Angebot und Nachfrage

 

6. Parameter der Welternährung

Auf den vorherigen Seiten (1. Landwirtschaft Flächennutzung bis 4. Nahrung: Verlust und Abfall) wurde die globale Nahrungsmittelkette zum Stand 2009 dargestellt.
Nahrung ist eine von vielen knappen Ressourcen. Die Bevölkerung wächst, die Ansprüche steigen (z. B. durch die Zunahme des Fleischkonsums pro Person im globalen Durchschnitt).

Welche Eingriffsmöglichkeiten bestehen zur Erhöhung des Nahrungsmittelangebotes "auf dem Teller"?

a.   Senkung der Nachfrage an globalem Rohernteertrag
a1. durch Abnahme der Weltbevölkerung
a2. durch Änderung des Konsumverhaltens  (Fleischkonsum, Überernährung)
a3. durch Reduzierung der Verluste bei Lagerung, Transport, Verarbeitung, Endverbraucher

b.   Erhöhung der durchschnittlichen Flächenausbeute (t/ha Rohernte)
b1. durch Düngung
b2. durch Einsatz von Bioziden
b3. durch Skalierung (große Monokulturflächen)
b4. durch künstliche Bewässerung
b5. durch Züchtung und Gentechnik

c.   Erhöhung der globalen Ackerfläche
c1. durch Abholzung von Wald
c2. durch Verwendung sonstiger Wild- oder Ausgleichsflächen
c3. durch künstliche Bewässerung
c4. durch Gentechnik (z. B. Trockenresistenz)
c5. durch Reduzierung von Nicht-Nahrungsmittelverwendung (Biotreibstoff, industrielle Verwendung, Kleidung)


a. Senkung der Nachfrage an globalem Rohernteertrag

a1. durch Abnahme der Weltbevölkerung

  Quelle: United Nations, 1999, "The world at 6 billion"
Quelle: U.S. Census Bureau, dort: people/int. statistics/int. database/world population;
abgerufen 23.12.11


Während zur Jungsteinzeit, nach Erfindung des Ackerbaus (8000-4000 v.u.Z.) etwa 5 Mio. Menschen lebten, betrug die Bevölkerungszahl zur Zeitenwende um 250 Mio., die sich in den folgenden 1000 Jahren nur gering auf 300 Mio. erhöhte (Quelle: US Census Bureau), um sich in weiteren 1000 Jahren  (bis  1960) zu verzehnfachen. 40 Jahre später (1999) war bereits eine weitere Verdoppelung auf 6 Mrd. Menschen erfolgt. Stand Ende 2011 7,0 Mrd. Bewohner.

 
    Quelle: U.S. Census Bureau, dort: people/int. statistics/int. database;
  abgerufen 23.12.11, eigene graphische Darstellung

Die Graphik rechts zeigt die ungleichen Wachstumsraten in den verschiedenen Weltregionen; der globale Durchschnitt liegt bei 1,1 %, oder jährlich 70 Mio. Menschen mehr, Tendenz langsam fallend.

Als Steuerungsgrößen werden, auch aus der historischen Erfahrung heraus, allgemein gesehen:

  • Wohlstand (mit Sozialsystemen, die Kinder als Altersabsicherung verzichtbar machen)
  • Gesundheit (mit geringer Kindersterblichkeit)
  • Bildung (die zur sozialen Besserstellung der Frau führt)
  • Geburtenkontrolle

Bei sonst unveränderten Bedingungen muss die Nettoernte jährlich um 1 % steigen, um die Ernährungssituation auf dem gegenwärtigen Stand zu halten. Die beschleunigte Senkung der Bevölkerungswachstumsrate ist der logisch direkteste Weg, um Nahrungsmittelknappheit (und Knappheit aller anderen Ressourcen) zu verringern. 



a2. durch Änderung des Konsumverhaltens

Fleischkonsum: Vor Verlusten der Verarbeitung und des Endkonsumenten werden etwa 22 % der globalen Rohernte verfüttert, während 35 % als Nahrungsmittel dienen (siehe Nahrung - Verwendung, Verluste, Abfall, dort rote Summenzeile der Tabelle; Stand 2007).
Der ernährungskalorische Wirkungsgrad der Tierzucht beträgt etwa 20 % (siehe Globaler Tierbestand und jährliche Ausbeute).
Eine Halbierung des Fleischkonsums würde rein nominell das kalorische Nahrungsmittelangebot um ein gutes Viertel erhöhen.
(Nebenrechnung: 11% Futtermittel (Hälfte der globalen 22% Futtermittel) --> 11% statt 2% Nahrungsmittel = 9% Nahrungsmittel zusätzlich; 9/35 = 0,26)
Die Realität sieht anders aus: Schätzungen gehen von einer Steigerung des pro-Kopf-Fleischkonsums von 0,5-1 % pro Jahr aus (s. auch Klimagasausstoß durch Ernährung, dort rechteste Säule der Tabelle). Diese Erhöhung ist 4-fach zum Bevölkerungswachstum hinzuzuaddieren, um die erforderliche jährliche Erntesteigerung zu ergeben: 3,8 %.
(Nebenrechnung: 0,7 % x 4 + 1 % = 3,8 %)

Überernährung: Es gibt etwa 1 Mrd. übergewichtige Menschen.
(Mit BMI [Body Mass Index = Gewicht / Größe2] > 25; davon 0,3 Mrd. Menschen mit Adipositas (Fettleibigkeit), d. h. BMI > 30. Spitzenreiter sind die USA, wo 30 % der Bevölkerung fettleibig sind).
Nimmt man willkürlich an, dass sie ein Fünftel zu viel essen, könnten sie bei durchschnittlicher Kalorienaufnahme 200 Mio. Menschen zusätzlich ernähren. Das Nahrungsangebot würde (einmalig) um 3 % steigen.
(Nebenrechnung: 200 Mio. / 7 Mrd. = 0,03)


a3. durch Reduzierung der Verluste bei Lagerung, Transport, Verarbeitung, Endverbraucher

Die Verluste bei der Lagerung, dem Transport und der Verarbeitung sind je nach Nahrungsmittelgattung (wie Getreide, Knollen, Salat, Fleisch, Fisch) und Region äußerst unterschiedlich. Sie variieren für Pflanzenprodukte im globalen Durchschnitt typischerweise jeweils im Bereich von etwa 10-20 % (s. Nahrung - Verlust und Abfall, rechte Spalten der Tabelle).   
Die Ansätze zur Reduzierung liegen wohl im technologischen Bereich (Lagerung, Kühlung, Atmosphäre, Verarbeitung), in der Konservierung (Fernhalten von Schädlingen, Schimmelbefall u.ä.), in der Optimierung der Transportkette, aber auch im Konsumverhalten (Reduzierung des Konsums verderblicher Produkte, die langer Wege oder langer Lagerzeiten  bedürfen).
Verluste beim Endverbraucher werden global auf 8 % geschätzt. Sie sind typischerweise in den industrialisierten Staaten deutlich höher; so landen in Europa und Nordamerika ca. 10 % vom Fleisch, sowie 20-30 % von Früchten, Gemüse und Getreideprodukten im Abfall (s. auch Abfall beim Verbraucher). In der Ersten Welt wird erwartet, dass abends noch die volle Auswahl an Gemüse oder Backwaren im Regal liegt, die dann nachts entsorgt wird. Hierbei liegt die naheliegende Korrekturmaßnahme sicherlich in der Änderung des Konsumverhaltens bzw. in dessen Umsteuerung.  


b.   Erhöhung der durchschnittlichen Flächenausbeute (t/ha Rohernte)

b1. durch Düngung

 
  Quelle: FAOStat/Ressources/Ressources Stat/Fertilizers Archive, abgerufen 12.1.2012; Berechnungen durch Autor

Laut FAO betrug der globale Verbrauch an mineralischem Dünger 2002 etwa 140 Mio. t/Jahr. Die Graphik rechts zeigt den Verlauf der letzten 50 Jahre. Man erkennt eine Steigerung auf etwa das Fünffache, wobei die Region Europa mit einer starken Abnahme um 1990 auffällt.
Die Zahlenangaben rechts (Kilogramm pro Person und Tonnen pro Quadratmeter Ackerfläche) haben geringe Aussagekraft, da sie Exporte/Importe von Nahrungsmitteln nicht berücksichtigen; sie sollen ausschließlich ein Gefühl für die Größenordnungen geben. Man liest jedoch ab, dass Ostasien (im wesentlichen China) pro Fläche sehr intensiv düngt, Afrika hingegen sehr wenig. Deutschland wird mit 22 t/km2, oder 220 kg/ha, knapp dreimal so hoch wie Europa angegeben (2,6 Mio.t Düngerverbrauch auf 118000 km2).
Die Zahlen der FAO beruhen auf einem Abfragesystem, das nicht von allen Ländern vollständig ausgefüllt wurde. Sie sind wohl um etwa den Faktor zwei zu niedrig, wie andere Quellen zeigen.
Der kommerzielle Beratungsservice "Effizient düngen" gibt für 2009 einen Weltmarkt für N+P2O5+K2O = 102+36+22=160 Mio. t an, was grob 275 Mio. t/Jahr Mineraldünger entspricht (N=Stickstoff, P2O5=Phosphoroxid, K2O=Kaliumoxid)
Nebenrechnung für Umrechnung N --> Harnstoffdünger (als typischer Stickstoffträger): Molgewicht Harnstoff = 60, Molanteil N = 28, N-Anteil = 47%. 102/0,47+36+22=275
Das statistische Bundesamt Deutschland DESTATIS nennt für 2009 4,2 Mio. t Wirkstoff, umgerechnet nach der oben angewandten Methode zu 6,0 Mio t/Jahr Mineraldünger. Damit errechnet sich ein Verbrauch von 36 t/km2 oder 360 kg/ha für Deutschland.
 

 
                     Nationale Stickstoffbilanzen der EU im Jahr 2000
Quelle: Eurostat, Agrarumweltindikatoren, "Gross nitrogen balance", abgerufen 17.1.12
Mineral fertilisers: Mineralisch + organisch + Kompost + Klärschlamm
Gross/net input of manure: Viehdung, Gülle
Other nitrogen inputs: Biologische Stickstofffixierung, Atmosphäre, Saatgut
Harvested crops: Geerntete Früchte
Harvested forage: Geerntetes Grünfutter
  Quelle: IOW (Institut für Ostseeforschung Warnemünde), "Fluch und Segen der Stickstoffdüngung", 2011
1 Tg (Tera-Gramm) N = 1 Mio. t Stickstoff
Kommentar 1: 115 Mio. t Stickstoff 2005 (gelbe Kurve) entsprechen grob den im Text aus anderer Quelle genannten 102 Mio. T Stickstoff (2009)
Kommentar 2: Die Aussage im blauen Kasten wird in der Quelle nicht erläutert 

 

 
  Quelle: "Effizient düngen", "Düngeversuche in Frankreich", 2011
mehrjähriger Vergleichsversuch mit Ammoniumnitrat (AN) und Harnstoff, jeweils in Folge
Es kann abgelesen werden, dass - unabhängig von der Stickstoffart - ungedüngte Felder etwa 50% der Ernte von standardgedüngten Feldern haben
   

Die Tabelle links oben zeigt die Stickstoffbilanzen Europas (EU-15) und der europäischen Länder. Unter Deutschland (DE) kann man  (dunkelblau) etwa 120 kg/ha N-Eintrag durch Mineraldünger ablesen. Diese Zahl beträgt etwa ein Drittel des Gesamtdüngereinsatzes (360 kg/ha) und korrespondiert mit dem  oben genannten globalen Wirkstoffverhältnis (ebenfalls ca. ein Drittel).
Für Deutschland / Europa liest man zusätzlich ab, dass etwa diesselbe Menge Stickstoff zusätzlich durch Gülle, Stickstoffbakterien, Luft und Saatgut eingetragen werden (dunkelviolett und gelb), und dass die Entnahme durch die Ernte nur etwa zwei Drittel davon beträgt - der Rest geht ins Grundwasser und die Atmosphäre.

Soweit die globalen Bilanzzahlen.

1910 wurde das Haber-Bosch-Verfahren patentiert, das in einem katalytischen Hochtemperatur-Hochdruckprozess den Stickstoff der Luft in Ammoniak (NH3) umwandelt, woraus andere Stickstoffverbindungen hergestellt werden können. Die Graphik rechts oben setzt das Bevölkerungswachstum in Bezug zur synthetisch hergestellten Stickstoffmenge. Man liest ab, dass zwischen 1950 und 2000 die Bevölkerung sich von zwei auf sechs Millionen etwa verdreifachte, während der Haber-Bosch-Stickstoff von quasi Null auf den heutigen Wert (etwa 115 Mio. t N im Jahr 2005, gelbe Kurve) stieg.

Welchen Ausbeuteeffekt hat nun die mineralische Düngung? Die europäische Stickstoffbilanz legt für diese Region einen Faktor zwei nahe (die andere Hälfte wird durch andere Quellen eingetragen). Ein Düngeversuch aus Frankreich (Graphik rechts) kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis: Mit Standardmengen von Stickstoff gedüngte Felder von Raps, Weizen und Gerste lieferten ohne Mineraldüngung etwa den halben Ertrag.

 
  Quelle: FAOStat/Production/Crops, abgerufen 6.1.12, Daten aufbereitet

Die global bewirtschaftete Fläche nahm in den letzten 50 Jahren um ca. 8 % zu. Die Graphik "Flächenertragsentwicklung" (rechts) zeigt einen generellen Anstieg in diesem Zeitraum um den Faktor zwei bis drei, wobei mengenmäßig wichtige Getreidesorten wie Weizen (Welt), Mais (Welt) oder Reis (Ostasien) im oberen Bereich liegen. Nicht überraschend korreliert dieser Anstieg mit der Zunahme der Weltbevölkerung (Faktor drei, s.o.).

Schreibt man, mit etwas Mut zur oberflächlichen Schätzung, 10% der Flächenzunahme und 100% der mineralischen Düngung zu, fehlen nochmals zusätzliche 40 %, um - innerhalb der fünfzig Jahre - die dreifache Bevölkerung zu ernähren. Genaugenommen fehlt noch mehr, da steigender Fleischkonsum und Energiepflanzenanbau noch nicht berücksichtigt sind.
In den folgenden Abschnitten wird versucht, die weiteren Faktoren zu abzuschätzen.


b2. durch Einsatz von Bioziden

 
  Quelle: "Der gesamtwirtschaftliche Nutzen von Pflanzenschutz in Deutschland", Witzke/Noleppa, 2011
Einheitsumrechnung: dt/ha (Dezitonnen/ha) geteilt durch 10 gibt t/ha; Weizen konventionell hat also ca. 7 t/ha Ertrag

Eine etwa 10 Jahre umfassende Studie aus Deutschland (Witzke/Noleppa 2011) betrachtet den Ertragsunterschied zwischen "ökologischem" und "konventionellen" Landbau. Der Unterschied beträgt etwa, siehe Graphik rechts, 50 %, bezogen auf den "konventionellen" Landbau. Weiterhin wird beschrieben, dass der Verzicht auf Fungizide allein etwa 10 % Verlust bewirke, der Verzicht auf alle Pestizide (Fungizide, Insektizide, Herbizide) zusammen etwa 30 %. Rein rechnerisch würden damit auf den Düngereinfluss weitere 20 % entfallen, also deutlich weniger als oben abgeschätzt.
Es ist allerdings zu bedenken, dass im "okologischen" Landbau ebenfalls gedüngt wird (z.B. durch Gründüngung / Leguminosen oder Gülle/Dung) und durch Steuerung bzw. Ausnutzung ökologischer Gleichgewichte auch ein gewisser Schädlingsschutz erreicht wird.
Der Einfluss der Gesamtdüngung wird deshalb deutlich höher sein.
 


   .

Der globale Pestizidverbrauch soll 2010 etwa 2,5 Mio. t betragen (ohne Quellenangabe). Dies wären jährlich etwa 0,4 kg/Person, was sich mit der obigen Tabelle, die eine willkürliche Länderauswahl aus FAO-Daten zeigt, in etwa bestätigt.
Pestizide, die auftragsgemäß die Monokultur der Erntepflanze befördern, beeinflussen  - neben der Gesundheit des Menschen - die Biodiversität und Ökofunktionen in teilweise wenig verstandenem Umfang und werden deshalb kritisch diskutiert.


b3. durch Skalierung (große Monokulturflächen)

In den USA sank die Anzahl der Farmen, die 1910 bis 1940 etwa 6 Millionen betrug, bei nahezu gleichbleibender Landwirtschaftsfläche bis 1980 auf ca. 2 Millionen, um seitdem etwa gleichzubleiben. Die durchschnittliche Farmgröße stieg hierbei auf etwa 160 ha an. Großfarmen mit über 400 ha bewirtschaften über die Hälfte der Gesamtfläche ("Structure and Finances of US Farms", USDA, 2010 [US Department of Agriculture]).
Im Gegensatz dazu betrug die deutsche Hofgröße 2007 durchschnittlich etwa 45 ha, also ein Viertel.
Interessanterweise betrug der Hektarertrag von Weizen 2010 in den USA nur 3,1 t/ha gegen 7,3 t/ha in Deutschland, und selbst das häufigste Anbaugetreide Nordamerikas, Mais, hatte mit 9,6 gegen 8,8 t/ha nur einen geringen Vorsprung.
Der Schluss liegt nahe, dass die Farmgröße in gewissem Rahmen auf den Flächenertrag keinen wesentlichen Einfluss hat (sicherlich hingegen auf die Betriebskosten).


b4. durch künstliche Bewässerung

   
    Quelle: "Bewässerungsnutzung - eine globale Perspektive", Siebert, Döll, 2011  

 

 
                 Erschlossene Bewässerungsfläche 1900-2000

Quelle: "Bewässerungsnutzung - eine globale Perspektive", Siebert, Döll, 2011

 

Von den 13,8 Mio. km2 global verfügbarer Ackerfläche (2009; s. auch Landwirtschaft - globale Flächennutzung) waren im Jahr 1961 11 %, im Jahr 2009 22 % (3,1 Mio. km2) für künstliche Bewässerung ausgerüstet.
Beispielhafte Zahlen aus ausgewählten Regionen:
Indien: 16 % (1961) --> 42 % / 0,7 Mio. km2 (2009)
China:  41 % (1961) --> 59 % / 0,6 Mio. km2 (2009)
USA:      9 % (1961) --> 14 % / 0,2 Mio. km2 (2009)
(Quelle: FAOSTAT/RessourceSTAT/Land; abgerufen 15.1.2012, eigene Auswertung)

Die Landkarte oben zeigt die Verteilung der Bewässerungsflächen, mit Schwerpunkten in Indien und China, aber auch im zentraleurasischen Raum, USA, Brasilien, Argentinien, an der südamerikanischen Westküste, sowie in Südwesteuropa.
Auf der Graphik rechts sieht man die zeitliche Entwicklung der letzen 100 Jahre.
Flächenmäßig entfällt mehr als die Hälfte auf China, Indien und die USA.
Ein Drittel (1,0 Mio. km2) wird für Reis verwendet, ein weiteres Drittel für Mais (0,7 Mio. km2) und Weizen (0,3 Mio. km2).
1995 betrug der Wasserverbrauch für die Landwirtschaft 66 % des globalen Gesamtwasserverbrauchs, für den sogenannten konsumptiven Wasserverbrauch betrug der Anteil sogar 85 %.
("Konsumptiv" bedeutet, dass das Wasser dem Flüssigkeitskreislauf entzogen wird. So ist z. B. der Kühlkreislauf eines Kraftwerkes nicht konsumptiv [das Wasser wird erwärmt, fließt aber wieder in den Vorfluter zurück]. Da in trockenen Gebieten und je nach Bewässerungstechnik auf dem Acker viel Wasser verdampft, ist hierbei der konsumptive Anteil relativ hoch).
(Quelle: "Bewässerungsnutzung - eine globale Perspektive", Siebert, Döll, 2011)

Dieselbe Quelle gibt an, dass für Getreide im Regenfeldbau die durchschnittliche globale Ausbeute 2,7 t/ha betrage, für den Bewässerungsfeldbau jedoch 4,4 t/ha. Das entspricht einem Mehrertrag von etwa 60 %.
Dies ist eine Durchschnittszahl, die die gegenwärtige Realität abbildet, nicht mehr und nicht weniger. Der konkrete Grenznutzen für ein Weizenfeld in Deutschland wird sicherlich geringer sein, für ein Maisfeld im eher ariden Südwesten der USA schon höher, und unverzichtbar für Gebiete mit jahreszeitlichen Trockenheiten (z. B. asiatische Monsunregionen) oder dauerhaft geringen Niederschlägen (z. B. Teile des Indus-Gebietes).


b5. durch Züchtung und Gentechnik

 
  Quelle: "Die Weizenzüchtung in der Schweiz", Fossati, Brabant, 2003

In den Dekaden um/ab 1950 wurde eine Wirkungssteigerung bei der Sortenzüchtung erreicht, die manchmal mit dem Namen "Grüne Revolution" belegt wird. Bis 2000 wurden über 3000 Weizensorten und über 1000 Reissorten gezüchtet (Quelle: Wikipedia). Man hatte herausgefunden, dass die erste Generation der Kreuzung zweier verschiedener, jeweils reinerbiger (homozygoter) Spezies häufig überragende Eigenschaften hat (Hybridzüchtung). Der Effekt verliert sich ab der zweiten Generation, sodass das Saatgut jedes Jahr vom Züchter nachgekauft werden muss.
Damit gelang die Steigerung etwa der Reisernte in den 50 Jahren von 1960 bis 2010 z. B. in Indien von 1,5 auf 3,4 t/ha, und in China von 1,9 auf 6,6 t/ha, also eine Verdoppelung bis Verdreifachung (andere Effekte wie Düngung und Pflanzenschutz sind hierbei mit inbegriffen) (Quelle: IRRI [International Rice Research Institute], About Rice / World Rice Statistics, abgerufen 15.1.2012).

Ein Artikel zum Programm der "Eidgenössischen Forschungsanstalten" beschreibt die Züchtungsgeschichte aus schweizer Sicht. Die Graphik rechts zeigt die Steigerung von 2 auf 6 t/ha im Zeitraum 1940-1990. Die Quelle nennt, in zeitlicher Folge nach der Auswahlzüchtung regionaler und Wildsorten, als Beginn der Hybridzüchtungen etwa 1950, und ordnet den Neuzüchtungen etwa 30-60 % der Ertragssteigerung zu (der Rest entfiele auf Düngung und Anbaumethoden).
Von der Verdreifachung des Ertrages könnte man also, mit Mut zur Vereinfachung auch etwa eine Verdoppelung den Züchtungserfolgen zuordnen.

Die Geschichte der kommerziellen "grünen" Gentechnik begann 1996 mit dem Anbau von genverändertem Soja in den USA. Seitdem stieg die Anbaufläche bis 2010 auf 150 Mio. ha / 1,5 Mio. km2 an (s. Abb.unten).























Dies sind bereits 10 % der Gesamtackerfläche (die hier mit 15 Mio. km2 angegeben wird). Die Graphik rechts verdeutlicht die relativ gesehen am stärksten betroffenen Kulturen: Soja, Baumwolle, Mais, Raps.
Die Graphik unten zeigt die Situation für die USA mit den Kulturen Soja, Baumwolle und Mais. Da sich HT- und Bt-Varianten (Erklärung weiter unten) überlappen, liegen letztlich alle drei Kulturen in den USA bei etwa 90 % Durchdringung (Stand 2011).
 
     Quelle (beide Abb.): transGEN (dort: Anbau / EU-International / Anbauflächen 2010)


Die Tabelle rechts ordnet die Länder nach der Fläche, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen bebaut ist. USA führt vor Brasilien und Argentinien, danach folgen Indien, Kanada und China (Stand 2010).
(Übersetzung einiger Pflanzennamen in der angegebenen Reihenfolge:
USA: Mais, Soja, Baumwolle, Raps, Zuckerrübe, Luzerne, Papaya, Kürbis
China: Baumwolle, Papaya, Pappel, Tomaten, Paprika)







Quelle: USDA (US Department of Agriculture) Economic Research Service, dort: data Sets / Research and Productivity / Adoption of...GE-Crops   Quelle: ISAAA, "Global Status of Commercialized Biotech / GM Crops 2010


Was bedeutet "HT" und "Bt"?
"HT" heißt "herbizidtolerant" und bedeutet, dass die Pflanze Herbizide (z. B. billigere oder stärkere) aushält, unter denen sie normalerweise absterben würde.
"Bt" steht für "Bacillus thuringiensis". Dies ist eine in Variationen vorkommende häufige Bodenbakterie, die Toxine produziert, die Raupen und Larven schädigt (z. B. Maiszünsler, Maiswurzelbohrer, Baumwollkapselwurm). Bei Bt-veränderten Pflanzen sind die entsprechenden Gene der Bakterie auf das Pflanzengenom übertragen.
Die Toxine selbst werden übrigens biotechnologisch in großem Maßstab auch aus den Bakterien direkt gewonnen und machen etwa 90 % des Marktes für "biologische" Schädlingsbekämpfungsmittel aus.
(Quelle: "Bacillus thuringiensis", Kaiser-Alexnat 2008; der Artikel bietet eine gute Übersicht zum Titelthema)
Als solche werden sie, entsprechend der europäischen Rechtsordnung, in großem Maßstab im "ökologischen" Landbau eingesetzt.
(Gesetzestext siehe "Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates, 1991, "Über den ökologischen Landbau...", S. 49, Pflanzenschutzmittel)   

Die oben genannten kommerziellen Hauptsorten haben als neue Eigenschaft die gesteigerte Resistenz gegen Schädlinge oder Schädlingsbekämpfungsmittel - ein direkter Einfluss auf Ertrag oder Qualität (Inhaltsstoffe) ist also nicht gegeben.

Die internationale Forschung läuft intensiv weiter.
Um ein Gefühl für die Zahlen zu bekommen, allein in Europa, das kein Kernmarkt für gentechnisch veränderte Pflanzen ist (s. auch Tabelle oben rechts), sind 38 Mais-, 23 Baumwolle-, 17 Soja-, 6 Raps-, 4 Blumen-, 3 Kartoffel-, 2 Zuckerrüben- und eine Reissorte im Genehmigungsverfahren (Stand 1/2012, Quelle: transGEN, dort: Zulassung).
Einige Beispiele auf globaler Ebene:
"Golden Rice", mit mehr Provitamin A, wurde ab 2004 unter Führung der ETH Zürich und div. Organisationen getestet und weiterentwickelt, und soll ab 2013 kommerziell eingesetzt werden.
Mais, trockenresistent, USA/Europa, zugelassen in USA 2011.
Mais mit Amylase (Enzym zur Stärkespaltung, das höhere Ausbeute für Bioethanolproduktion bewirkt), Europa; zugelassen in USA 2011.
Sojabohnen mit mehr Omega-3-Fettsäuren, USA, Zulassung 2012 erwartet.
Kartoffel, resistent gegen den Knollenfäule-Pilz (Phytophthora infestans;er soll etwa 20 % Ausfall verursachen), Europa; Zulassungsantrag gestellt.
Weizen, trockenresistent, USA, Forschung.

In Bezug auf die Fragestellung "Flächenausbeute" lässt sich zusammenfassen, dass die "grüne" Gentechnik heute diese nur geringfügig direkt beeinflusst (jedoch indirekt über Schädlingsverluste). Der Treiber für deren Anwendung sind sicherlich vorrangig die Herstellkosten.
Nachdem die Technologie heute, 15 Jahre nach der ersten kommerziellen Einführung, weit entwickelt ist und wie jede junge Technologie sicher weiter an Fahrt gewinnen wird, ist damit zu rechnen, dass in naher Zukunft höhere Ausbeuten, geänderte Inhaltsstoffe und verbesserte Stressresistenz zu den erreichten Eigenschaften gehören werden.

Unbeschadet dessen ist, wie bei jeder neuen Technologie, eine fortwährende kritische Beobachtung, Bewertung und Risikoabschätzung zielführend. Diese ist aus einer Position der Know-How-Stärke jedoch sicherlich wirkungsvoller möglich als aus der Position des Nichtwissens.
Kommentar des Autors: Die Art der z. B. in Deutschland emotional geführten Diskussion bis hin zur Gewaltbereitschaft kann in gewisser Weise als scheinheilig bezeichnet werden, da der durchschnittliche Deutsche über Futtermittelimporte etwa 60 kg/Jahr gentechnisch veränderte Pflanzen in verstoffwechselter Form zu sich nimmt (Quelle: FAZ vom 20.1.12 "Gentechnik wird ausgelagert und reimportiert")
- die öffentlich geäußerte kritische Haltung korreliert nicht erkennbar mit einer Abnahme des deutschen Fleischkonsums, der immerhin etwa doppelt so hoch ist wie der globale Durchschnitt
.
(s. auch Klimagasausstoß durch Ernährung)


c.   Erhöhung der globalen Ackerfläche

c1. durch Abholzung von Wald
Ein knappes Drittel der Landfläche ist Wald, darunter gemäßigte und boreale Wälder (kaltgemäßigtes Klima), sowie tropische Urwälder.
Für die Nutzung vor allem letzterer gilt natürlich ein Interessenkonflikt zwischen Klima- und Artenschutz (inklusive der dort lebenden Einheimischen) einerseits und den kurzfristigen kommerziellen Agrarinteressen andererseits. Es herrscht in der globalen Gemeinschaft (Vereinte Nationen) Konsens darüber, dass ersteres Vorrang habe.
In der Realität nimmt die Waldfläche, trotz Zunahmen z. B. in China und Russland, heute pro Jahr um 0,13 % ab. Tropische Flächenstaaten wie Brasilien, Indonesien, Papua Neuguinea oder Honduras fallen mit jährlichen Abholzraten von 0,5 % und höher negativ auf (s. auch Wald als Kohlenstoffspeicher).
Das Geschäft ist jedoch international getrieben, so nahm in den vergangenen Jahren die Palmölproduktion, die zunehmend zur Herstellung von Bio-Treibstoffen verwendet wird, in Malaysia und Indonesien, aber auch in Brasilien, erheblich zu - auf Kosten gerodeten Urwalds.
Boreale Waldflächen können möglicherweise als Folge der Klimaerwärmung landwirtschaftlich genutzt werden.

c2. durch Verwendung sonstiger Wild- oder Ausgleichsflächen

Auch hier ist ein Interessenkonflikt zu bewerten. Anerkanntermaßen bringen große Monokulturflächen die lokale Biodiversität zum Erliegen; so müssen z. B. kalifornische Mandelzüchter jedes Jahr alle nötigen Bienen für wenige Befruchtungswochen heranschaffen, da wegen Nahrungsmangels für den Rest des Jahres kaum wilde Befruchter überleben.
Die EU beschloss 1992 die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43 EWG), die zum Schutz der Natur u.a. ein durchgängiges Flächennetz von kontrolliert geschützten Gebieten schaffen sollte (Natura 2000). Diese Gebiete umfassen heute mehr als 15 % der Fläche der EU. 

c3. durch künstliche Bewässerung

Sachlich wurde das Thema bereits unter (b4) beschrieben. Theoretisch ist die Bewässerung trockener bis wüstenartiger Gebiete denkbar, sofern Klima und Bodenqualität dies erlauben. Einschränkende Faktoren sind die ökonomischen und ggf. ökologischen Kosten (Süßwassertransport über weite Strecken oder Meerwasserentsalzung unter hohem Primärenergieaufwand) sowie das Risiko der Versalzung der Böden, das in geeigneter Form beherrscht werden muss.

c4. durch Gentechnik (z. B. Trockenresistenz)

Auch dieses Thema wurde bereits behandelt (b5). Trocken- oder kälteresistente ("stressresistente") Pflanzen würden dazu beitragen, die Ackerbaufläche zu Lasten der "sonstigen Fläche" (31 % der Erdoberfläche) zu erweitern, ohne die Waldfläche anzutasten.

c5. durch Reduzierung von Nicht-Nahrungsmittelverwendung (Biotreibstoff, industrielle Verwendung, Kleidung)

 
Aus der Tabelle in
Nahrung - Verwendung, Verluste, Abfall ist zu entnehmen, dass die "sonstige Verwendung" landwirtschaftlicher Produkte etwa 3 % (darunter z. B. für Kleidung [Baumwolle] oder Konsumartikel und Industrie [Fette, Öle]), sowie die Verwendung für Biotreibstoffe 2 % der globalen Rohernte beträgt (Stand 2007).
Der Biotreibstoffanbau wuchs deutlich, er liegt heute bereits im Bereich von 3-4 % der globalen Rohernte (Stand 2010). (Quelle: Agentur für Erneuerbare Energien, "Biokraftstoff" 2012; eigene Auswertung: 34 Mio. t Rohöläquivalente 2007 --> 69 Mio. t 2010 entspricht Steigerung um 70 %).
Andere Quellen nennen z.B. 20% der Rohrzuckerernte, 9 % für Ölpflanzen+Mais, 4 % für Zuckerrüben (global, Stand 2009).
(Quelle: "Price Volatility in Food and Agricultural Markets, Policy Responses", FAO u.a., 2011),
oder z. B. 19 % der Ackerfläche für Deutschland (Stand 2011, Agentur für eneuerbare Energien, 2011).
Auch hier liegt wieder ein Interessenkonflikt zwischen Klimaschutz bzw. Primärenergieverbrauch und allen anderen Ernteverwendungen vor.


Schluss

 
   Quelle: FAOStat/Production/Crops, abgerufen 6.1.12, Daten aufbereitet

Die Graphik rechts zeigt den Pro-Kopf-Ertrag sechs wichtiger Getreidesorten im regionalen und historischen Zusammenhang.
Diese sechs Sorten umfassen etwa ein Drittel der globalen Rohernte. Da  auch (nur) ein Drittel der Rohernte für die Nahrung, nach Abzug von Abfall, verwendet wird, liefern die Pro-Kopf-Zahlen sozusagen zufällig die Größenordnung der tatsächlich zur Verfügung stehenden Nahrung. Ein Mensch benötigt etwa 300 kg/a Getreideäquivalente (300 kcal/100g) für eine Versorgung mit 2500 kcal/Tag.
Man liest ab, dass der Pro-Kopf-Ertrag weltweit in den letzten 50 Jahren um etwas über 50 % zugenommen hat, stärker in Nordamerika und Ostasien, kaum in Afrika (Ein Großteil davon wurde durch zunehmenden Fleischkonsum aufgezehrt).
In Ostasien hat der Weizen- und Maisanbau gegenüber dem traditionellen Reis stark zugenommen.
Nordamerika war stets ein Exporteur. Soja und vor allem Mais wuchsen dort stark (beide zu 90 % genverändert, s.o.).
Am mengenmäßig herausragenden Beispiel Mais soll dessen Verwendung (in Nordamerika) genannt werden: 43 % für Tierfutter, 18 % zur Weiterverarbeitung (darunter vorrangig die Biotreibstoffherstellung), weitere 17 % für den Export (meist Tierfutter), und nur 1,3 % direkt  für die Nahrung (Quelle: FAOSTAT, Food Balance Sheets / Commodity Balances / Crop Primary Equivalent; Bevölkerung aus FAOSTAT Food Balance Sheet; abgerufen 6.1.12, Daten aufbereitet).

Der zentrale Bedarfssteuerungsfaktor ist sicherlich die Weltbevölkerungszahl.
Neben der Steuerung von Flächen- und Ertragszahlen, die beide jeweils global und regional auf Vor- und Nachteile bzw. unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen (Ernährung, Biodiversität, Klima, soziale Einflüsse) zu betrachten sind, bietet der Verwendungsentscheid (pflanzliche Nahrung, Fleisch, regionale Verteilung, Abfallquellen, Treibstoff) wesentliche Freiheitsgrade.

Um diese Argumentationskette noch weiter zu verkürzen: Für die Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen wäre der Bevölkerungsbeitrag, für die Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen die Anpassung ihrer Werte bezüglich Ernährung und Konsum am einfachsten, um zu einer nachhaltigen globalen Bewirtschaftung zu gelangen.