_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Wie stark beeinflusst der regelmäßige Genuss eines Schnitzels das Klima? Klimarelevanz des Fleischkonsums

 

Klimagasausstoß durch Ernährung - unter besonderer Berücksichtigung des
Fleischkonsums


Zum Einstieg in diese Thematik einige Schlagzeilen:

  • Viehzucht benötigt 70 % der Landwirtschaftsfläche der Erde (33 % vom Ackerland, Rest Weideland)
  • Die knappe Hälfte des Getreides und 90 % der Sojaernte wird an Nutztiere verfüttert
  • Für 1 kg Fleisch benötigt man 7-16 kg Getreide
  • Die Viehzucht erzeugt 9 % des CO2, 37 % des Methan (Widerkäuer), und 65 % des Lachgases (Düngemittel, Gülle)

Die Angaben stammen aus "Schadet Fleischkonsum dem Klima", Fokus vom 16.3.2007, welcher im wesentlichen aus einem Bericht der FAO ("Food and Agricultural Organization" der Vereinten Nationen) zitiert ("Livestock's Long Shadow", FAO 2006).

  • Die Tierproduktion erzeugt 18% aller Treibhausgase, darunter die Hälfte Methan - dies sei mehr als für das gesamte Transportwesen

Quelle: ETH Zürich, "Treibhausgase und Viehzucht", C. Beck, 2010

  • Der weltweite Fleischverbrauch verdoppelte sich seit 1950 von 18 auf 36 kg pro Person; der Amerikaner isst jährlich 112 kg, der Inder 2 kg (der Deutsche 88 kg, Stand 2009, Anm. d. A.)
  • In Südamerika wurden in den letzten drei Jahrzehnten mehr als 25 % aller tropischen Regenwälder für die Zwecke der Viehzucht abgeholzt

Quelle: Vegane Gesellschaft Österreich, dort: "Umwelt" / "Ressourcen" / "Fleisch und Umwelt"

 

Wie sind solche Zahlen zu bewerten?

Im Folgenden soll eine Bilanzierung im Rahmen der Gesamt-CO2- und der Gesamt-Treibhausgasemissionen durchgeführt werden.
 

Quelle: IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), 4th Assessment Report: Climate Change 2007, Kap. 2.2 "Drivers of Climate Change"

 
Die Grafik oben zeigt eine Gesamtbilanz aller durch den Menschen verursachten Treibhausgase. In den obersten beiden Zeilen findet man CO2 und die restlichen langlebigen Klimagase (Methan CH4, Lachgas N2O, Halogenierte Kohlenstoffe) grob im Verhältnis 2:1.
Darunter folgen die kurzlebigen Bestandteile, wie Ozon, Wasserdampf, Aerosol und andere. Man erkennt nebenbei, dass Aerosol (Feinstaub) einen kühlenden Effekt hat (da Sonneneinstrahlung reflektiert wird).
Der Nettoeffekt entspricht ca. 1,5 W/m2 zusätzlicher Strahlungsintensität (unterste Zeile), oder ca. 48 Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr (7 Tonnen pro Person, Stand 2010).

Für die folgende Betrachtung wird der Anteil von Methan und Lachgas relevant sein.
Das Verhältnis der langlebigen Klimagase, umgerechnet aus der obigen Tabelle, von
CO2 : Methan : Lachgas : halogenierte Kohlenstoffe beträgt 63 : 18 : 6 : 13 %.
 

Die folgende Tabelle präsentiert Ergebnisse des schon oben zitierten FAO-Berichtes "Livestock's Long Shadow", Datenstand 2006.
Es sind die globalen CO2-, Methan-, und Lachgasemissionen (rosa Zeilen der Tabelle) gelistet, diesmal in Mrd.-Tonnen-CO2-Äquivalenten, deren Summe 40 (Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr) ergibt (rote Kreise).
Die grünen Kreise kennzeichnen jeweils die Zwischensummen für die einzelnen Treibhausgase aus der Viehzucht.

Quelle: FAO, "Livestock's Long Shadow - Environmental Issues and Options", 2006; Part IV: 03: Livestock's role in climate change and air pollution; dort: 3.4. Summary of livestock's impact, S. 113


Es lässt sich ein Gesamtanteil der Viehzucht (an diesen drei Gasen) von 18 % ablesen (blau gekennzeichnet), sowie errechnen:

  • CO2-Anteil aus Viehzucht 8 %

  • Methananteil aus Viehzucht 37 %, oder absolut 6 % CO2-Äquivalente

  • Lachgasanteil aus Viehzucht 65%, oder absolut 4 % CO2-Äquivalente

Die jeweils größten Auslöser (Kennzeichnung in der Tabelle durch grüne Rahmen) sind die Entwaldung bzgl. CO2, die Methan-"Rülpser" durch die Widerkäuer, und Mist / Gülle bezüglich Lachgas.
Die - trotz Verarbeitung, Düngung, Transporten u.ä. - prinzipiell CO2-günstige pflanzliche Landwirtschaft wird also durch die Nutzung von Fleisch statt pflanzlicher Kost nicht nur durch den zehnfachen Mehrverbrauch an "Kalorien", sprich Primärenergie, sondern zusätzlich durch die Erzeugung einer vergleichbaren Menge an Methan und Lachgas (10 aus 18 %) um das Zwanzigfache verschlechtert. Der Faktor Zehn gilt natürlich auch für den Verbrauch von Ackerland. 


Kontrollrechnung Entwaldung:
Die Erde hat eine Landoberfläche von ca. 149 Mio. km², davon ist knapp ein Drittel Wald (40 Mio. km²), davon wiederum ein Drittel Urwald. Der Waldverlust durch Abholzung beträg pro Jahr brutto 0,4 % (1980 - 2005 relativ gleichbleibend),netto etwa 0,2-0,3 %, da in einigen Regionen wie Europa, in Russland und China der Waldbestand steigt. Die Spitzenreiter in der Vernichtung sind Brasilien, Indonesien (und Region), Sudan (und Region), naturgemäß die Gegenden, wo noch am meisten Urwaldfläche vorhanden ist.
Die gesamte Wald-Biomasse beträgt ca. 800 Mrd. t Kohlenstoff (200 t / Hektar).
Bei einer Abholzungsrate von 0,25 % errechnet sich hieraus ein CO2-Anteil an den globalen Gesamtemissionen von 18,5 %.
Damit würden etwa 40% der Abholzung zu Lasten der Viehzucht gehen, folgte man den FAO-Berechnungen.

Nebenrechnung: 800 Mrd. t x 0,25 % x 3,67 (Konversionsfaktor C --> CO2) / 40 Mrd. t CO2 (Gesamtausstoß) = 18,5 %
Quellenangabe: Die Zahlen wurden entnommen aus
"Die Wälder der Welt - Ein Zustandsbericht"
, WWF 2007
                       Kohlenstoffgehalt pro Hektar Wald siehe
Wald als Kohlenstoffspeicher.   

 

Daten des IPCC kommen bezüglich des Methananteils der Widerkäuer am gesamten menschlich verursachten Methan auf 23 % (Nebenrechnung: 80/350 = 0,23, siehe untenstehende Tabelle).
An der Streuung der Vergleichszahlen der einzelnen wissenschaftlichen Quellen kann man die Messunsicherheit erkennen - für eine Betrachtung der Größenordnungen ist die Datengüte jedoch ausreichend.

Quelle: IPCC, Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climat Change, 2007; dort: Kap. 7.4.1 Methan
Hervorhebungen in blau und rot durch den Autor

 

Kontrollrechnung Methan:
Was den Methanaustoß betrifft, kann man eine einfache Gegenrechnung machen:
Es gibt ca. 1,4 Mrd. Kühe auf der Welt (Stand 2006), die geschätzte 50 kg Methan pro Jahr (190 l / Tag) ausstoßen (die in der Literatur genannten Werte streuen stark). Mit dem Klimawirksamkeitsfaktor 23 für Methan berechnen sich
1,6 Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr, weltweit.
Die in der oben stehenden Tabelle angegebenen 80 Megatonnen Methan ergeben mit dem Wirksamkeitsfaktor
1,8 Gigatonnen CO2-Äquivalente jährlich aus der Viehzucht, d. h. die Werte liegen nah beinander. Dies wiederum
entspricht ca. 5 % aus der gesamten Treibhausgasemission von 40 Gigatonnen. Alle Werte passen zusammen.
 

Zuordnung Viehzucht weltweit - Ernährung Deutschland:
Im Artikel "Primärenergiebedarf und Klimaausstoß durch Konsum" wurde der Primärenergiebedarf eines deutschen Haushaltes beschrieben, und der Ernährung 9 % zugeordnet, d. h.  auch 9 % der CO2-Emission. Wie passt dieser Wert zu den 18 % aller Klimagase weltweit nur für die tierische Ernährung?

Zunächst ist der Welt-Durchschnitt mit dem deutschen Durchschnitt abzugleichen.

Der CO2-Ausstoß des Deutschen ist doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt (10 t/a gegen 5 t/a CO2).

Der Fleischverbrauch liegt weltweltweit bei 36 kg/a, Stand 2009, siehe Grafik rechts (Quelle: Wiki, Quelle FAO, abgerufen 1.3.2011).

 

Der deutsche Verbrauch liegt bei 88 kg/a, mit einem Netto-Konsum (ohne Knochen, industrielle Verwertung, Futter, Verluste, d. h. verzehrte Ware) von 60 kg/a und Person, siehe Tabelle rechts (Quelle: Bundesverband der deutschen Fleischwarenindustrie, 2011).
Der deutsche Fleischkonsum liegt mit dem 2,4-fachen des globalen Durchschnittes damit noch über dem Faktor 2 des Primärenergie-Mehrverbrauches.

Aus diesen 60 kg pro Jahr errechnet sich ein bundesdeutscher Konsum von 170 g Fleisch und Wurstwaren pro Tag.



Aufteilung Viehzucht - Pflanzenproduktion:

In der Bachelor-Arbeit von Rose, 2007, TU-München, "...Treibhausgasemissionen...unter besonderer Berücksichtigung der Ernährung" findet man Darstellungen (Tabelle unten), die den Ernährungsektor in Tierproduktion, Pflanzenproduktion, Verarbeitung, Handel und Verbraucher aufteilen. Deren Gesamtemission wird zu 260 Mio T CO2-Äquivalenten (s. Tabelle) oder 21,8 % angegeben.

Originaldaten aus: Kramer, in Enquetekommission "Schutz der Erdatmosphäre" des Deutschen Bundestages, 1994 


Lässt man die "Verbraucher" unberücksichtigt (die im Haushalts-Primärenergieverbrauch unter anderen Kategorien wie Stromverbrauch oder Dienstleistungen erfasst sind), verbleiben die Treibhausgasemissionen für Ernährung mit einem Absolutbetrag von 15,4 % sowie gerundet in den Verhältnissen:

  • Tierproduktion 60 % (9 % absolut)
  • Pflanzenproduktion 10% (1,5 % absolut)
  • Verarbeitung 10 % (1,5 % absolut)
  • Handel und Transport 20% (3 % absolut) 

Die oben genannten Zahlen, insbesondere das Verhältnis Tierproduktion zu Pflanzenproduktion, sind, nach Vergleich mit anderen Quellen, um den Faktor Zwei ungenau zu bewerten.


Weitere Ableitung der absoluten Emissionsanteile für die Ernährung:
Wie decken sich diese Zahlen, das einer Untersuchung aus 1994 stammen, mit den weiter oben zitierten Ergebnissen der FAO-Studie von 2007, die allein der Tierproduktion 18 % aller Treibhausgasemissionen zuweist?
Unterstellt man, dass in der älteren Studie die CO2-Emission durch Abholzung nicht erfasst sei (die laut FAO mit 6,0 % zu Buche schlägt), könnte man die Zahlen näherungsweise so zusammenführen:

  • Tierproduktion
    • 6 % Methan (FAO)
    • 4 % Lachgas (FAO)
    • 6 % CO2 (Entwaldung, FAO)
    • 0,3 % CO2 (Düngung u.ä., FAO, ohne Verarbeitung)
  • Summe Tierproduktion 16,3 %
  • Pflanzenproduktion 1,5 % (Rose/Kramer)
  • Verarbeitung alle Nahrungsmittel 1,5 % (Rose/Kramer)
  • Handel und Transport alle Nahrungsmittel 3 % (Rose/Kramer)


Das globale Emissionsverhältnis zwischen Tier- und Pflanzenproduktion, vor Verarbeitung, Transport und Handel, beträgt also ca. zehn. Schätzt man den Ernährungsanteil durch Fleischprodukte, wieder weltweit, auf ca. 8% ab (Deutschland 15 %), also ca. ein Zwölftel, liegt der ökologische Hebel zwischen Tier- und Pflanzennahrung nicht nur bei Zehn, wie ihn der spezifische Futtermittelverbrauch nahelegen würde, sondern wegen der sonstigen Treibhausgase bei 10x12 = 120. 
Selbst ohne Berücksichtigung der Entwaldung läge er noch bei 80.
Dabei tragen die Widerkäuer (Rindfleisch) zu einem größeren Teil bei als die restlichen Tiere.

Man kann nebenbei ablesen, dass für Fleisch die Transportwege eine deutlich untergeordnete Rolle spielen; für pflanzliche Nahrungsmittel gilt dies nicht, hier übertreffen die durchschnittlichen Emissionen von Transport und Handel diejenigen der Herstellung um das Doppelte.
Zur kalorischen Ausbeute von Fleisch (wieviel Kalorien Getreide werden verfüttert für eine Kalorie Fleisch) siehe auch
Tierbestand und Ausbeute.

 


Daraus folgen die

Aktionsmöglichkeiten bei der Ernährung:

Beispiel:
Die Halbierung des Fleischkonsums
- von täglich 170 g auf 85 g - spart 8 % Treibhausgase.

Nebenrechnung: Minus 3 % Methan, minus 2% Lachgas, minus 3 % CO2 (jeweils die Hälfte aus obenstehendem Kasten) = minus 8%. Es ist unterstellt, dass Verarbeitung, Transport und Handel gleiche  Treibhausgasbilanzen haben wie bei pflanzlicher Nahrung, d. h. sich nicht verändern.
Rein rechnerisch liegt die Zahl noch um 20 % höher, da der deutsche Fleischkonsum den deutschen Primärenergieverbrauch im Verhältnis zu den globalen Zahlen um 2,4 : 2.0 = 1,2 übersteigt, wie weiter oben gezeigt wurde.