Rätsel Empire China: Evolution eines alternativen sozialen Codes?
China
Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas gehört zu den unverstandenen und, auf einer Zeitskala von z.B. 30 Jahren, absolut überraschenden gesellschaftlichen Phänomenen unserer Gegenwart.
Da China inzwischen im "globalen Dorf" ein zentraler Akteur ist, auf einigen Gebieten (Bevölkerung, Geldgeber, CO2-Erzeuger) bereits die Nummer Eins, ist sein Verhalten definitiv mitentscheidend für die Bearbeitung und den Ausgang der globalen Allmende-Probleme von heute und morgen.
China hat eine ca. 4000 Jahre alte Hochkulturgeschichte und war nach einer gängigen Lehrmeinung ca. 1000 Jahre lang das mächtigste Reich der Erde (etwa im Zeitraum 500-1500).
Beispielhaft einige "Überraschungen" in seiner geschichtlichen Entwicklung:
Quelle: K. Seitz, "China - Eine Weltmacht kehrt zurück", 2006 |
1. Nachdem 1391 in der Gegend von Nanjing 50 Millionen Bäume gepflanzt worden waren, wurde daraus eine kaiserliche Flotte gebaut, die zwischen 1405 und 1433 siebenmal nach Südostasien, Java und Sumatra, Ceylon und Indien, Ostafrika und Arabien (bis in den Persichen Golf und das Rote Meer) segelte. Die Flotten bestanden aus 200-300 Schiffen, darunter neunmastige Hochseedschunken von bis zu 135 m Länge und 55 m Breite, und einer Gesamtbesatzung von 20000 bis 30000 Mann.
1492, ein dreiviertel Jahrhundert später, segelte Kolumbus mit 3 Karavellen (das Flaggschiff hat 23 m Länge und 6 m Breite) und einer Besatzung von ca. 90 Mann nach Amerika. Bei seiner zweiten Reise 1493 hatte er 17 Schiffe mit einer Besatzung von 1500 Seeleuten.
Zur selben Zeit hatte hatte die Regierung in China die Baupläne der Hochseeschiffe und die Logbücher vernichtet und die private Hochseeschiffahrt untersagt. Nie wieder sollte eine kaiserliche Schatzflotte die Weltmeere befahren.
2. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war China ein unterlegenes Opfer des europäischen Imperialismus. Nach den Opiumkriegen von 1839-1842 und 1856-1860 überschwemmte Großbritannien das Land mit Opium, was die wirtschaftliche Verelendung beschleunigte. Es wird geschätzt, dass jeder zwanzigste Einwohner süchtig wurde. 1900, nach dem erfolglosen Boxeraufstand gegen "die Fremden", wurde China zu einer weiteren Kriegsentschädigung von 450 Millionen Silberdollar verpflichtet; die Zinszahlungen aus Kriegsreparationen an westliche Banken beliefen sich auf etwa die Hälfte des Staatshaushaltes.
Zeitnah entwickelte sich der Nachbarstaat Japan völlig anders. Die analoge Herausforderung durch den westlichen Imperialismus hatte es durch raschen Aufbau von Industrie und Militärmacht bewältigt, 1895 besiegte es China im Krieg um Korea, 1905 Russland zu Wasser und zu Land. 1937 wird Japan die Mandschurei und Ostchina besetzt haben, und 1941 die USA militärisch herausfordern.
Nach westlichem Verständnis hatten die beiden Länder um 1800 eine vergleichbare Ausgangslage in Bezug auf den europäischen imperialistischen Druck. Warum entwickelten sie sich völlig entgegengesetzt?
3. 1991 löste sich die Sowietunion auf, die ab 1917 nach der Oktoberrevolution mit dem Kommunismus einen anderen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weg gegangen war. Nach gängigem Geschichtsverständnis war das "schwächere System" dem "stärkeren System" der Demokratie und des Kapitalismus unterlegen.
Zeitnah war China denselben Weg gegangen: Gründung der kommunistischen Partei 1921, Ausrufung der Chinesischen Volksrepublik 1949. Bis 1960 wurde China von sowietischen Polit-, Militär- und Technikberatern unterstützt.
Heute ist dieses kommunistische Land ein hocherfolgreicher Teilnehmer des globalen Kapitalismus und mit 3000 Milliarden Dollar Währungsreserven (Stand 2011) dessen größter Gläubiger.
In Geschichte Chinas werden ein chinazentrierter Darstellungsansatz versucht und spezielle Themen herausgegriffen, insbesondere solche, die einen zeitlichen Vorsprung / Rückstand im Vergleich mit den europäischen Kulturen zu beleuchten erlauben.
Quelle für die Daten zur chinesischen Geschichte: Jacques Gernet, "Die chinesische Welt", 1988, und Konrad Seitz, "China - Eine Weltmacht kehrt zurück", 2006.