_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Globale CO2-Bilanz von Beton, lokale Kompensationsmöglichkeiten

 

Beton und seine Ökobilanz

November 2021

Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Artikels konnte man regelmäßig lesen, dass die Zementproduktion mit 8% zur globalen CO2-Produktion beitragen würde, und bei der Energiewende deshalb eines besonderen Augenmerks bedürfe.
Im Folgenden wird dazu Zahlenmaterial geliefert und interpretiert. Die Quellen machen allerdings teilweise unterschiedliche Angaben.

Zement ist der Bestandteil von Beton, der nach dem Anrühren mit Wasser zu dessen Festigkeit führt, sozusagen ein anorganischer Klebstoff. Bei der Herstellung wird in Drehrohröfen bei üblicherweise rund 1450oC ein sogenannter Klinker (nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Klinker-Ziegelsteinen) hergestellt, der danach mit  Gips (CaSO4x2H2O) oder Gipsanhydrit (CaSO4) vermahlen wird. Der Klinker besteht nach dem Brand vereinfachend aus einer Mischung verschiedener Mineralien, vor allem aus Calcium-Silikaten und Calcium-Aluminium-(Eisen)-Silikaten. Der Rohstoff für den Calcium-Gehalt ist üblicherweise Kalkstein (Calciumcarbonat, CaCO3).

Zement hat also zwei große "Fußabdrücke", was die CO2-Entwicklung angeht. Zum ersten die Energie für das Vermahlen sowie für das Brennen bei einer hohen Temperatur, zum zweiten die chemische Freisetzung von CO2 beim Brand durch die Reaktion: CaCO3 --> CaO + CO2.

Wieviel Zement wird weltweit produziert?
Die internationale Energieagentur (IEA) (1) nennt für das Jahr 2020 4,3 Gt (2) globale Zementproduktion und gibt auch die "CO2-Intensität" dazu an: 0,59 t CO2 / t Zement oder 2,54 Gt CO2 global pro Jahr. Eine andere Quelle (3) nennt eine höhere Produktionszahl (4,7 Gt Zement weltweit bereits 2017) mit derselben CO2-Intensität.
Welchen Bruchteil der globalen anthropogenen Kohlendioxidproduktion stellt das dar? Bezieht man sich auf das gesamte CO2 inklusive der Landnutzung (Abholzung von Wald), so beträgt die im Jahr 2019 emittierte CO2-Menge 42,6 Gt (4). Die oben genannten 2,54 Gt CO2 aus der Zementproduktion wären also 6,0% (nicht 8%).

Die Zahlen, d. h. der chemische Fußabdruck und der energetische Fußabdruck, sollen im Folgenden nachgerechnet werden. Für ersteren ist das relativ genau möglich, bei zweiterem ist die Datenlage nicht ganz so gut.
1. Chemischer Fußabdruck
Zement enthält zwischen 58% und 66% Calciumoxid, es wird mit 62% als Mittelwert weitergerechnet. Mit Hilfe der schon genannten chemischen Reaktionsgleichung CaCO3  --> Ca + CO2 kann man einen Faktor von 0,79 berechnen (5), sodass ein spezifischer CO2-Ausstoß von 49% oder 0,49 t CO2 / t Zement (chemisch) resultiert.
2. Energetischer Fußabdruck
Die IEA (6) gibt den elektischen Energiebedarf, der hauptsächlich für das Vermahlen benötigt wird, mit 150 kWh / t Klinker, sowie den thermischen Energiebedarf mit 970 kWh / t Klinker an.  Rechnet man mit einer spezifischen CO2-Belastung von 0,35 kg / kWh thermisch (für die Heizung) und von 0,6 kg / kWh elektrisch (für den Strombedarf) (7), so berechnen sich  90 + 340 = 430 kg CO2 / t Klinker. Wenn man nun den Klinkergehalt von Zement mit 72% ansetzt (1), ergibt sich der energetische CO2-Ausstoß von Zement zu 0,31 t CO2 / t Zement (thermisch).

Insgesamt resultiert also ein CO2-Fußabdruck von 0,80 t CO2 / t Zement. Diese nachgerechnete Zahl ist 30% höher als die oben mit Quelle IEA angegebene (0,59 t CO2 / t Zement).
Mit dieser Zahl resultiert allerdings genau der häufig zitierte Anteil von 8,0% der globalen CO2-Emissionen.
 
Wie groß ist der CO2-Fußabdruck von Beton?
Beton hat eine Dichte von 2,4 t/m3 und besteht z. B. (8) aus 300 kg Zement, 180 l Wasser und 1900 kg "Zuschlagstoffen", das sind im Wesentlichen Sand und Kies in festgelegten Körnungen sowie chemische Additive in kleineren Mengen. Der Zementgehalt beträgt also rund 12,5%. Daraus berechnet sich die CO2-Emission von Beton zu 0,24 t CO2 / Kubikmeter Beton.

Anwendungsbeispiele
Um diese Zahlen etwas anschaulicher zu machen, seien drei Beispiele gegeben.
1. Ein Wohnhaus mit zwei Stockwerken je 100 m2 Grundfläche, voll unterkellert, oben in Holzbauweise, mit Dachziegeln, benötigt 65 m3 Beton, entsprechend 16 t CO2.
2. Ein Wohnhaus wie oben, jedoch in Leichtziegelbauweise, benötigt 110 m3 Beton, entsprechend 26 t CO2.
3. Eine Tiefgarage für 60 Stellplätze benötigt 2870 m3 Beton, entsprechend 690 t CO2 (9). Das sind rund 11 t CO2 je Stellplatz. Eineinhalb Stellplätze entsprechen also dem oben genannten vollunterkellerten Holzhaus.

Wie wäre dies zu kompensieren?
Dazu bietet sich eine Kostenkompensation oder eine reale Kompensation an.
1. Kostenkompensation
Bis November 2021 bewegte sich der CO2-Zertifikatpreis der EU (der bisher nur Stromerzeuger und Großchemie erfasst, rund die Hälfte des Gesamtprimärenergieverbrauches) mehrfach über 60 Euro. Fachleute halten einen CO2-Preis von 100-150 Euro für erforderlich, um erneuerbare Energien wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen. Rechnet man mit 150 Euro, wäre der Beton der Tiefgarage mit rund 104 000 Euro zu kompensieren, oder rund 1700 Euro je Stellplatz. Wollte man die Stellplätze täglich vermieten, und die Kompensation über zwei Jahre abwickeln, müsste die Tagesgebühr um 4,3 Euro erhöht werden (10).
2. Reale Kompensation
Eine Photovoltaikanlage auf einem durchschnittlichen deutschen Standort mit unverschatteter Südlage produziert pro installiertem kW(Peak) (rund 5 m2 Fläche, rund 2000 Euro Kosten (11)) jährlich etwa 1000 kWh und entlastet die Stromproduktion damit um rund 0,5 t CO2 (12). Soll das unterkellerte Holzhaus also beispielsweise in 10 Jahren real kompensiert werden, ist eine Jahresersparnis von 1,6 t CO2 erforderlich oder knapp über 3 kW(Peak) installierter photovoltaischer Leistung, die den Hausbauer rund 6000 Euro zusätzlicher Investition kosten würde. Für das Ziegelhaus wäre knapp das Doppelte erforderlich. Die Investition würde über weitere 10-15 Jahre nahezu kostenfrei weiter Strom liefern und CO2 einsparen, da die Lebensdauer solcher Anlagen bei 20-25 Jahre liegt. 

 

Quellenangaben und Anmerkungen
(1) Internationale Energieagentur IEA, Cement - Cement - Tracking Report 2021
(2) Gt = Gigatonnen, Milliarden Tonnen (109 Tonnen)
(3) Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie, WWF 2019
(4) 36,7 Gt CO2 fossil (Quelle: Statista) plus 5,9 Gt CO2 Landnutzung (Mittelwert 2010-2019, Quelle: Zahlen heute) = 42,6 Gt CO2
(5) Das Molekulargewicht von CaO beträgt 56, das von CO2 44. Auf ein Gewichtsteil CaO entfallen also 44/56 = 0,79 Gewichtsteile CO2.
(6) Wie (1); im Original 3,5 GJ/t Klinker thermische Energie und 84 kWh/t Klinker elektrische Energie im Jahr 2050 bei jährlicher Abnahme von 1,9% gegen heute.
(7) a) Ein Großteil der Heizenergie wird durch fossile Brennstoffe erbracht. Hier ist mit Kohle gerechnet, die etwa 0,35 kg CO2 pro erzeugter kWh Wärme produziert. 
     b) Für die Stromerzeugung stößt ein Kohlekraftwerk zwischen 0,7 und 1,2 kg CO2 pro erzeugter kWh Strom aus. Um emissionsärmere Erzeuger mit zu berücksichtigen, wurde der globale Mix auf 0,6 kg CO2 / kWh Strom abeschätzt.  Mit deutlich über 50% ist China der führende Zementhersteller; dort ist die spezifische Emission durch den Einsatz von Kohle möglicherweise deutlich höher.
(8) Wikipedia
(9) Wohnhaus 10 x 10 m, 2,5 m Geschosshöhe, Bodenplatte 30 cm, Kellerdecke und Seitenwände 20 cm, zwei Kellerstützwände 10 cm Dicke. Leichtziegel mit 1,4 kg/dm3, Ziegelwände 30 cm, Estrich 10 cm, Ziegeldach 5 cm Dicke.
Tiefgaragenstellplatz 2,5 x 5 m, Fahrwegzuschlagsfaktor 2,7, Grundriss 45 x 45 m für 60 Stellplätze. Bodenplatte 70 cm, Decken und Wände 50 cm Dicke. Hilfsweise mit zwei Stützwänden gerechnet, die vom Betonbedarf für die Einfahrrampe, Hilfswände, Fahrstuhl, Treppenhaus u.ä. stehen sollen. Höhe brutto 3,5 m. Die Angaben sind qualitativ einem realen Planungsvorhaben entnommen. 
(10) bei angenommener Belegung von 200 Tagen pro Jahr
(11) durchschnittliche Kosten ohne Mehrwertsteuer für eine Standardanlage mit 5-10 kW(Peak), Stand 2021
(12) Im deutschen Strommix emittiert eine kWh rund 0,4 kg CO2; ein Kohlekraftwerk allerdings 0,7 kg CO2 / kWh und deutlich mehr. Der Herstell-CO2-Fußabdruck der Photovoltaikanlage (1-3 Jahre Nutzungsdauer) ist abzuziehen. Deshalb wurden hier 0,5 kg CO2 / kWh angesetzt.