Globale Treibhausgas-Bilanz der IT
Wie klimaschädlich ist die Informationstechnologie?
Oktober 2022
Die Idee und einen Großteil der verwendeten Daten gab mir das Buch "Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem" (1) des britischen Wissenschaftlers Mike Berners-Lee, Spezialist für Klimagas-Ökobilanzen. Gespickt mit entsprechend dem Stand der Wissenschaft oft "guestimated" (2) Fakten und geschrieben mit britischem Humor ist es sehr lesenswert.
Der Artikel ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten wird top-down der Prozentsatz der IT am globalen Klimagasausstoß berechnet, im zweiten wird bottom-up betrachtet, wie Aktionen des Einzelnen dessen CO2-Fußabdruck beeinflussen.
Globaler Treibhausgasausstoß
Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N20) oder fluorierte Gase werden entsprechend ihrer Wirksamkeit gewichtet, mit der Skala "CO2 = 1". Ihre Summe wird mit CO2-Äqu. (CO2-Äquivalente) bezeichnet.
Im Jahr 2019 betrug der globale Ausstoß 59 Gt (Gigatonnen, Milliarden Tonnen) CO2-Äqu. (3). Aus Konsistenzgründen wird mit den Zahlen von 2018 weitergerechnet (1). Auf eine Gesamtemission von 56 Gt CO2-Äqu. entfielen 41,4 Gt (74 %) auf Kohlendioxid, die sich auf Landnutzungsänderung (zum Großteil Abholzung) mit 3,9 Gt CO2 (7 %) und fossile Brennstoffe plus Industrie mit 32,5 Gt CO2 (67 %) verteilen.
Globaler Stromverbrauch
Im Jahr 2018 wurden weltweit 23 000 TWh (23 Billionen kWh, 23*1012 kWh) Strom verbraucht. Die Erzeugung lag - wegen der Leitungsverluste - um rund 8 % höher (4). Gerechnet mit einer CO2-Intensität von weltweit durchschnittlich 0,63 kg CO2 / kWh (1) (5) ergibt sich ein CO2-Ausstoß von 14,5 Gt, entsprechend 44,5 % der fossilen Brennstoffe. Eine andere Quelle gibt 42 % an (6).
Ab hier werden die Zahlen aus systematischen Gründen ungenauer, da neben dem direkten Stromverbrauch auch die Klimagas-Fußabdrücke der Geräte, Server usw. berücksichtigt sind.
Globale Treibhausgasemissionen der IT 2018 in % von 1,4 Gt CO2-Äqu. Quelle: Berners-Lee 2020 (1) |
Globaler IT-Klimagasausstoß
Dieser betrug 2018 1,4 Gt CO2-Äqu. und schließt Endgeräte (Computer, Handy, WLAN), Fernsehen (mit Spielkonsolen), Netzwerke und Server sowie Kryptowährungen mit ein. Dies sind 2,5 % des gesamten Klimagasausstoßes. Der Klimagausausstoß der IT liegt also in der Größenordung des Flugverkehrs.
An der Grafik kann man ablesen, dass etwa je ein Drittel durch Fernsehen und Kommunikations-Endgeräte, also die Endkundenseite, ausgelöst werden. Das restliche Drittel stammt von der dahinterstehenden Infrastruktur wie Server und Netzwerke, und zu schockierenden 5 % von der Erzeugung und dem Handel von Kryptowährungen.
Kommentar des Autors: Letztere rangieren meines Erachtens auf dem Niveau der touristischen Raumfahrt - Erfindungen mit gigantischem Ressourcenverbrauch, die nur extrem wenigen Menschen dienen.
Wie hoch ist der Stromverbrauch der IT?
Die britische Studie (1) nimmt für Server (7) und Kryptowährungen (s. Grafik) die Herstell-Emissionen als gering gegenüber den Stromverbrauchs-Emissionen an. Für die Netzwerke wird hier dasselbe vermutet (ohne Beleg). Bei TV und Endgeräten ist die Lage eine völlig andere: Fernseher haben durchschnittlich nur rund 20 % Endnutzer-Stromanteil an den Emissionen, Daten-Endgeräte nur 2 %. Beides wurde ermittelt für britische Nutzer- und Kaufgewohnheiten (1).
Summiert man die einzelnen Sektoren, resultiert ein Anteil von 37 % Stromverbrauchs-Emissionen am gesamten Treibhausgasausstoß der IT, entsprechend 0,52 Gt CO2-Äqu. pro Jahr. Dies entspricht 3,6 % des Weltstromverbrauchs. Die restlichen 63 % der Emissionen stammen aus der Herstellung der Geräte.
Wachstum der IT-Branche
Für die Klimaschädlichkeit relevant ist auch das Wachstum der Branche. Nehmen Effekte zu oder ab?
Je nach Quelle wird für die zehn Jahre von 2010 bis 2020 ein Datenvolumen-Zuwachs auf das 8-10-fache genannt (rund 60 Zettabyte (8) in 2020). Für die folgenden fünf Jahre bis 2025 werden Wachstumsprognosen um den Faktor drei genannt. Dies entspräche einem Wachstum von rund 20-30 % pro Jahr. Der Stromverbrauch nimmt wegen der Effizienzsteigerung, z. B. durch kleinere Chips, die weniger gekühlt werden müssen, allerdings weniger stark zu.
Im nun folgenden zweiten Teil wird bottom-up die Endnutzer-Seite beschrieben.
Fernsehen
Für britische Nutzergewohnheiten (viereinviertel Stunden Fernsehen pro Tag, ein neues Gerät alle vier Jahre) ergibt sich je nach Größe des Gerätes - vom kleinen Laptop bis zum großen Plasmabildschirm - der Ausstoß zwischen rund 130 und 240 g CO2-Äqu./h oder 200-370 kg/Jahr.
Dabei gilt:
- Der Fernseher (Herstellung und Transport zum Kunden, ohne Entsorgung) schlägt mit 500-700 kg CO2-Äqu. zu Buche, was typischerweise die Hälfte bis zwei Drittel aller Emissionen ausmacht.
- Für Fernsehgeräte sind die Emissionen der Transmission typischerweise in derselben Größenordnung wie für den häuslichen Stromverbrauch; für Laptops ist der Eigenverbrauch deutlich günstiger.
- Streaming hat einen etwas höheren Stromanteil als klassische Übertragung (um 50 g CO2-Äqu. pro Stunde für Satellitenübertragung, Kabel-TV und Streaming).
- Fernsehempfänger sind knapp doppelt so energieintensiv wie WLAN-Router. Bei beiden spielt auch der typische Standbybetrieb eine Rolle.
Als Fazit gilt, dass die wichtigste persönliche Beeinflussungsmöglichkeit der seltenere Kauf eines neuen Gerätes ist, erst dahinter kommt die Reduktion der Nutzerzeit.
Handy
Bei einer Nutzung von dreieinviertel Stunden pro Tag und einem neuen Gerät alle zwei Jahre beträgt der Fußabdruck 69 kg CO2-Äqu./Jahr. Dabei beträgt der Endverbraucher-Stromanteil nur 1 %, der Anteil an Netzwerken und Servern 22 % und stolze 77% stammen von der Geräteherstellung. Warum ist dieser Anteil so hoch? Er liegt nicht in den Materialien begründet, sondern in den Chips, die wegen ihrer aufwändigen Fertigung einen sehr hohen Treibhausgasausstoß bewirken.
Hier gilt also noch deutlicher als beim Fernseher, dass eine lange Nutzungsdauer des Handys der Schlüssel zu einem niedrigeren ökologischen Fußabdruck ist.
Computer
Laptops verschiedener Größe werden mit 300-600 kg CO2-Äqu. Emissionen angegeben, und der Betrieb von Laptops bis zu Tischcomputern zwischen 2 und 50 g CO2-Äqu./h. Dazu kommmen 22 g CO2-Äqu./h für Server und Netzwerk. Rechnet man dies auf den typischen Gebrauch um (Benutzung drei Stunden pro Tag, ein neues Gerät alle vier Jahre), ergeben sich 100-230 kg CO2-Äqu./Jahr.
Bei den Computern ist der Geräteanteil (mehr Chips!) nochmals höher als beim Handy und beträgt im Durchschnitt 83 %.
Die Handlungskonsequenz für Interessierte ist auch wieder primär, seltener ein neues Gerät zu kaufen.
Einzelne Aktivitäten
Berners-Lee (1) schätzte auch die Treibhausgasbilanz für einzelne Aktivitäten ab:
- eine Textbotschaft: 0,8 g CO2-Äqu.
- ein Email (je nach Länge und Gerät): 0,2 bis 20 g CO2-Äqu.
- eine Internetsuche (je nach Länge, inklusive Server- und Netzleistung): 0,5 bis 8g CO2-Äqu.
Diese Emissionszahlen suggerieren, dass man sie durch Nicht-Aktivität einsparen kann. Das ist allerdings nur in geringem Maß der Fall, da die Geräteemissionen mit eingeschlossen sind, die unabhängig von der Benutzung anfallen.
Quellenangaben und Anmerkungen
(1) Berners-Lee, M. 2020 (revised edition). How bad are bananas - the carbon footprint of everything. London: Profile Books
(2) "guestimated" zusammengefügt aus "guessed" (geraten) und "estimated" (geschätzt). Der Autor erläutert selbst, dass das Erstellen von Treibhausgas-Ökobilanzen in vielen Fällen keine exakte Zahlenwissenschaft ist, wenn etwa für ein Produkt der gesamte Lebensweg von der Gewinnung der Rohstoffe über die Fertigung, den Vertrieb, die Benutzung bis hin zur Entsorgung miteinbezogen werden soll. Fehlerbalken unter 50 % können eine gute Leistung sein.
(3) Siehe IPCC-Sachstandsbericht 2022
(4) eia (U.S. Energy Information Administration)
(5) In Deutschland beträgt die CO2-Intensität für ein Braunkohlekraftwerk um 1,0, für Steinkohle um 0,9, für Erdgas um 0,55 kg CO2 / kWh. Quelle: UBA. Weltweit dürfte der Durchschnitt schlechter liegen. Alle erneuerbaren Stromerzeuger sowie Atomkraftwerke verbessern die Bilanz.
(6) axpo (Axpo Austria GmbH)
(7) siehe (1); dort werden drei verschiedene aktuelle Analysen zitiert, die größenordnungsmäßig alle im selben Bereich liegen.
(8) Statista; 1 Zettabyte = 1021 Byte