_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Durchbruch oder Lizenz zum Nichtstun? - Bewirtschaftung der globalen Allmende "Klima", Stand 2011

 

Klimagipfel Durban 2011


Im Dezember 2011 fand in Durban, Südafrika, die jährliche Welt-Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN) statt.

Die bisherige Lage:
Nach dem Scheitern von Kopenhagen 2009 und einer knapp gelungenen Absichtserklärung in Cancun 2010 waren die Erwartungen nicht von Optimismus geprägt.
Der Kyoto-Vertrag mit Reduktionsverpflichtungen würde 2012 auslaufen, wichtige Länder wie USA und China hatten gar nicht teilgenommen.
Die Karte unten zeigt die globalen Emissionen an CO2 mit Stand 2009 (etwa 1/3 weitere Treibhausgasemissionen sind nicht berücksichtigt).

 Quelle: FAZ vom 1.12.2011, "Keine Lösung - nirgendwo"


Man erkennt (siehe Diagramme unter der Weltkarte, von links nach rechts) China und USA als die absolut größten Emittenten, China und Indien (neben Iran) mit den größten Steigerungsraten, USA (neben Kanada), danach Russland und Südkorea mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen, sowie China und Russland, neben Iran, mit den höchsten Emissionen pro BIP (Bruttoinlandprodukt). Letzteres steht für ineffiziente Energietechnologie.

Die Ergebnisse von Durban:
Ein verbindliches Klimaabkommen wurde nicht beschlossen.
Der Kyoto-Vertrag, der eine Reduktion um 5% zwischen 1990 und 2012 vorsah (reale globale Entwicklung: Steigerung um 45% bis 2010, siehe obige Graphik) wird von intessierten Ländern freiwillig bis 2017 (unter Umständen bis 2020) weitergeführt. Reduktionspläne von 25-40% bis 2020 waren im Gespräch.
Nach Ausstieg von Kanada, Russland und Japan verbleiben mit der Europäischen Union und z.B. Australien, Norwegen und der Schweiz allerdings nur noch ca. 15% der globalen CO2-Emissionen unter den Kyoto-Regeln.
Es wurde eine Absichtserklärung für ein globales Abkommen vereinbart, das bis 2015 beschlossen werden und 2020 in Kraft treten solle. "Die Formulierungen über die rechtliche Bindungskraft... sind allerdings weniger klar" ("Durchbruch in Durban").
Die Einrichtung eines Weltklimafonds, der ab 2020 Entwicklungsländern jährlich 100 Mrd. US-Dollar zur Verfügung stellen soll, soll 2012 seine Arbeit aufnehmen. Industrieländer hatten 30 Mrd. US-Dollar bereits kurzfristig zugesagt.
Das "REDDplus"-Programm zum Schutz tropischer Regenwälder soll weiter ausgestaltet werden. 

Kommentare:
Schellnhuber, theoretischer Physiker, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung "Globale Umweltveränderungen" und Teilnehmer der Konferenz, kommentierte den Verlauf und die Bewertung der Konferenz ("Die Weltkarte des Klimaschutzes hat sich verändert").
Es folgen daraus einige Zitate:

  • "Viele Teilnehmer haben eine neue Rolle gespielt. ... Die Welt sortiert sich neu in Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen, es gibt da vielleicht eine neue Ehrlichkeit." "Es gibt jetzt die langfristig und verantwortungsvoll denkenden Länder versus diejenigen, die immer noch ihre kurzfristigen nationalen Interessen voranstellen und das Weiter-so vorziehen, sei es aus einer Position des Superkonsums heraus wie die Vereinigten Staaten oder aus einem postkolonialen Lamento heraus wie leider Indien."
  • "[China] hat das Potenzial, zu einem Hoffnungsträger der internationalen Klimapolitik zu werden, weil es im Inneren durchaus einiges anpackt - etwa den allmählichen Aufbau eines Emissionshandelssystems."
  • "Wenn es die Europäer nicht gäbe, würde sich niemand mehr um die Klimaverhandlungen kümmern. Der Wendepunkt in der Konferenz war, als die Europäer unfreundlich wurden."
  • "Die afrikanischen Staaten sind umgeschwenkt in die Philosophie der Europäer."
  • [In Durban] "der Respekt ist zurück. Man könnte zwei Schlagzeilen formulieren: 'Durchbruch zum Weltklimavertrag' - oder, das wäre die negative Schalgzeile 'Lizenz zum Nichtstun für ein weiteres Jahrzehnt'. Beides ist richtig." "...2020 [ist] als Zieljahr zu spät. Der Zug mag sich 2020 wirklich in Bewegung setzen, aber das Ziel [maximal 2o Celsius Erwärmung] existiert dann vielleicht nicht mehr. ... Man könnte ironisch sagen: Es fährt ein Zug nach nirgendwo."
  • "Meine Hoffnung ist, dass sich gleichzeitig der Energiezug viel schneller in Bewegung setzt, also der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Fortschritte in der Energieeffizienz. Die Stabilisierung könnte... durch die Transformation der Industriegesellschaft erfolgen. ... Hierfür müssen sich Koalitionen der Willigen bilden, die schon mal vorangehen, während die anderen noch auf ihre Zehenspitzen starren." (für den europäischen Zusammenhang siehe auch Energiewende)
  • "Wenn wir dem jetzigen Fahrplan folgen, wird der Scheitelpunkt der Emissionen eher 2030 kommen. Dennoch zählt natürlich auch jenseits dieser Linie [2o Celsius] noch jedes Grad, ja Zehntelgrad. Drei Grad Erwärmung sind gefährlicher als zwei, aber vier Grad sind noch brisanter. ... Irgendwann erreichen wir Kipp-Punkte, und das Klimasystem ändert sich drastisch."

Zur Rolle Chinas folgen einige Zitate aus dem Asien-Blog der FAZ ("Klimakiller und grüner Vorreiter. Was China in Durban wirklich will"):
China liegt in Emissionsmenge und Steigerungsrate, bei einem schlechten Wirkungsgrad, heute und in den kommenden Jahren immer deutlicher auf Platz Eins.

  • "Ohne Chinas Mithilfe lässt sich die Erderwärmung nicht aufhalten."
  • "So betrachtet ist China tatsächlich der größte Klimasünder auf dem Planeten. In einer typisch chinesischen Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen kann die Volksrepublik aber genauso gut als grüner Vorreiter bezeichnet werden. Denn kaum ein anderes Land der Welt unternimmt vergleichbare Anstrengungen..." "Zwischen 2011 und 2015 soll der Anteil der nichtfossilen Energieträger von 8 auf 11,4 % zulegen; dazu zählt Peking auch die Kernkraft. Der Quotient aus Kohlendioxidausstoß und BIP (Karbonintensität) soll um 17 % fallen."  
  • "China sieht sich zum Handeln gezwungen. ...weil die Regierung nichts mehr fürchtet, als dass die eigene Bevölkerung auf die Barrikaden geht. China hat deshalb eine Art Erneuerbare-Energien-Gesetz erlassen und ist jetzt schon der größte Nutzer von Wind und Wasserkraft." (Siehe Graphik, aus derselben Quelle)
    "Nach offiziellen Angaben hat die Volksrepublik 2010 rund 300 Milliarden Yuan (35 Millarden Euro) in alternative Energien investiert, so viel wie kein anderes Land."  

 Zur Rolle der USA: Aufgrund ihres führenden materiellen Wohlstandes und auch führenden Pro-Kopf-CO2-Ausstoßes fällt den USA eine doppelte Schlüsselrolle zu, nämlich den eigenen Ausstoß drastisch zu senken und anderen, wirtschaftlich schwächeren Ländern mit Technologietransfer und finanzieller Unterstützung zu helfen (vergleichbar den anderen Ländern der Ersten Welt, wie z. B. Europa). Diese Schlüsselrolle nahmen sie - Stand 2011 - in national-egoistischer und global-verantwortungsloser Weise nicht wahr.
Es ist schon fast makaber, wenn das Land, in dem ein erheblicher Bruchteil der Bevölkerung der Meinung ist, seinen Glauben an die Schöpfung durch schriftgetreues Beharren gegen den Stand der Wissenschaft verteidigen zu müssen, in wenigen Jahrzehnten, wenn die quasi biblischen Plagen der Temperaturerhöhung und Extremereignisse, wie Wassermangel, Versteppung, Verwüstung, Wirbelstürme, Überflutung, zugenommen haben sollten, in den Geschichtsbüchern wird lesen können, dass genau sie es waren, die Anfang des 21. Jahrhunderts durch Blockade des Allmende-Bewirtschaftungsprozesses die Schöpfung aus den Angeln gehoben haben.


Wie bei allen Allmendeproblemen umfasst der Lösungspfad die kollektive Wertebildung inklusive Anreizen und Sanktionen, was durch Bildung bzw. weiterer Verstärkung einer in diesem Fall globalen Öffentlichkeit geschehen kann. Siehe auch Zivilisation 2.0 - Aktionsmöglichkeiten.



Dezember 2011