Dawkins benutzt Wiederholungsserien des Gefangenendilemma-Spiels, um Verhaltensmuster in der Tierwelt zu begründen
2. Die Evolution des Sozialverhaltens im Tierreich
Dawkins führt aus, dass die gegenseitige Pflege im Tierreich häufig vorkommt. So gibt es Vögel, die sich gegenseitig Zecken aus dem Kopf entfernen, an Stellen, wo sie selbst nicht hinkommen.
Was hat dies mit dem Gefangenendilemma zu tun?
Schauen wir uns die Matrix an:
B kooperiert | B verweigert | |
---|---|---|
A kooperiert | relativ gut: 3 Meine Zecken werden entfernt, aber ich habe auch den Zeitaufwand, dir deine zu entfernen |
sehr schlecht: 0 Ich behalte meine Zecken und habe außerdem den Zeitaufwand, dir deine zu entfernen |
A verweigert | sehr gut: 5 Meine Zecken werden entfernt, und ich habe keinen Aufwand, dir deine zu entfernen |
relativ schlecht: 1 Ich behalte meine Zecken und habe den schwachen Trost, dir deine auch nicht entfernt zu haben. |
Die Punktzahl stellt eine - willkürliche - Bewertung des Ergebnisses für A dar.
Die Wertesumme für den einzelnen Vogel ist bei "ich entferne die Zecken" niedriger (3+0) als bei "ich entferne die Zecken nicht" (5+1). Gleichzeitig liegt das gemeinsame Optimum bei "Zecken entfernen / Zecken entfernen" (3+3 > 5+0 > 1+1). Damit sind die Kriterien des Gefangenendilemma-Spiels erfüllt.
Spielstrategien
Dawkins beschreibt einige prinzipiell mögliche Strategien:
a) "Willkür" spielt nach dem Zufallsprinzip
b) "Wie du mir, so ich dir" beginnt mit Kooperieren und imitiert danach immer den Zug des Partners
c) "Naiver Probierer" spielt wie (b) mit einigen zusätzlichen und anlasslosen Verweigerungen
d) "Reumütiger Probierer" wie (c), unterdrückt jedoch den jeweils ersten Gegenschlag
e) "Nachtragend" verweigert dauerhaft nach der ersten Verweigerung des Partners
Er fasst die Strategien in Gruppen zusammen, nämlich "nett" (verweigert nie als erstes) und "gemein", in "verzeihend" (kooperiert mit oder ohne Gegenschlag wieder von sich aus) und "nachtragend", sowie in "neidisch" (will mehr Punkte als der Partner) und "nicht neidisch".
Der erste Wettbewerb
Es wurden 15 Strategien eingereicht, die auf einem Computer 200 Züge lang jeweils in Paaren gegeneinander spielten. Acht der Strategien waren "nett", sieben "gemein".
Ergebnis: Die acht "netten" Strategien lagen alle vor den sieben "gemeinen". Sieger wurde die simple Strategie "Wie du mir, so ich dir" (b). Innerhalb der Siegergruppe lagen die "verzeihenden" Strategien eher vorn (das ist leicht zu verstehen, da "nachtragende" Strategien nicht aus dem Kreislauf gegenseitiger Vergeltung ausbrechen können).
Der zweite Wettbewerb
Aufgrund der Ergebnisse der ersten Runde durften die Strategien "optimiert" werden. Ein Teil der Programme wurden subtilere "gemeine" Strategien.
Auch diesesmal lagen die "netten" Strategien deutlich vorn, mit nur einer "gemeinen" Strategie in der vorderen Hälfte. Aber: Die Reihenfolge einiger (unverändert gebliebener) Programme war nicht mehr diesselbe.
Zitat: "Damit sind wir auf eine wichtige Tatsache gestoßen: Bei solchen Turnieren hängt der Erfolg einer Strategie davon ab, welche anderen Strategien am Wettbewerb teilnehmen."
Der dritte Wettbewerb
Jetzt wurde Evolution gespielt. Nach jeder Runde wurde der Gewinn in Form von "Nachkommen" ausgezahlt, sodass manche Strategien häufiger wurden und andere ausstarben.
Ergebnis: Nach ca. 1000 Generationen waren alle "gemeinen" Strategien ausgestorben, wobei einige "gemeine" Strategien zu Beginn zunahmen, da sie "zu verzeihende" Strategien ausbeuteten, solange diese wiederum noch nicht ausgestorben waren.
Vorsicht mit der Interpretation: Der Autor konstruiert im weiteren Verlauf seiner Abhandlung Beispiele, in denen auch "gemeine" Strategien stabil überleben, insbesondere, wenn sie von Beginn an in einer erheblichen Überzahl sind. Die "netten" Strategien hatten einen Vorteil, weil sie häufig genug auf ihresgleichen trafen, um die entscheidenden Punktevorteile herauszuarbeiten.
Fazit
Was will Dawkins sagen? Die Spielprogramme üben festgelegte Funktionen aus (wie Gene), sie reagieren auf Reize (ebenfalls wie Gene, wenn man an die Ursuppe und die umherschwimmenden Moleküle denkt), sie haben ein - kurzes - Gedächtnis (auch das Gen in der Ursuppe reagiert so: "Wenn ich eben dieses Molekül angelagert habe, lagere ich als nächstes jenes Molekül an, sobald es vorbeischwimmt") und: Beide planen nicht voraus.
D. h. so wie die genetische Evolution den Gesetzen der Statistik und Wahrscheinlichkeit folgt, so entwickeln sich die sozialen Regeln im Tierreich ebenfalls in die wahrscheinlichste Richtung.
Und so ist der Putzerfisch, der am Maul der Muräne herumschwimmt, auf einmal leicht zu verstehen - oder? Die beiden haben offenbar häufig genug das Spiel gespielt.
Wer Dawkins' Gedanken zur Evolution der menschlichen Kultur kennenlernen will, geht