__________________________________ Das Buch: "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

______________________________________________ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Bevölkerungsentwicklung von Niger

 

Niger - das Land mit der höchsten Geburtenrate der Welt



Niger liegt als Binnenland im tropischen Nordafrika im Bereich der Sahara und der südlich angrenzenden Sahelzone. Seine Fläche beträgt knapp 1,3 Mio. Quadratkilometer, etwa soviel wie Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Zwei Drittel liegen in der fast niederschlagsfreien Wüste, ein Drittel in der Sahelzone mit 400-700 mm jährlichem Niederschlag, der nur während des Sommermonsuns fällt, mit großen Schwankungen. Im Südwesten quert der drittlängste afrikanische gleichnamige Fluss Niger.
Die Einwohnerzahl beträgt etwa 18 Mio. (2015), bestehend aus den ethnischen Gruppe Hausa, Zarma, Songhai, den nomadischen Touareg und anderen, bei einer Dichte von 15 Einwohnern pro Quadratkilometer, wobei die meisten im vom Monsun erreichten Süden wohnen.
Mit einem Bruttoinlandsprodukt von etwa 440 (kaufkraftbereinigt 830) US $ pro Kopf (2014) gehört Niger zu den zehn ärmsten Ländern der Erde (1).

               Niger: Bevölkerungsentwicklung, Grundnahrungsmittelproduktion und Wald
Quelle: Eigene Darstellung mit Daten aus (2) und (3)


Die obenstehende Graphik zeigt über 60 Jahre eine nahezu unveränderte Geburtenrate von mehr als sieben, die selbst unter Annahme einer auf fünf sinkenden Geburtenrate zu einer Verfünffachung der Bevölkerung in den nächsten 40 Jahren führen würde (2)

 
          Landflächenaufteilung in Niger
Quelle: Eigene Darstellung mit Daten aus (3)

Wie entwickelte sich die Versorgungslage mit Lebensmitteln?
1960 herrschte Mangelernährung mit etwa 1600 kcal/Person und Tag, dennoch wurden 5 % der produzierten Nahrung exportiert. Fünfzig Jahre später, 2010, hatte sich die Bevölkerung gut vervierfacht, während die Produktion der größten Grundnahrungsmittel Millet-Hirse (echte Hirse) und Sorghum-Hirse etwa auf das Fünffache stiegen. Diese beiden Getreide tragen etwa zu Zwei Dritteln zur kalorischen Versorgung der Bevölkerung bei. Insgesamt verbesserte sich die spezifische Kalorienzufuhr auf 2500 kcal/Person und Tag, allerdings mußten nun ca. 5 % importiert werden (4).
Die Produktionssteigerung gelang nicht durch Ausbeuteerhöhung (Millet-Hirse plus 15 %, Sorghum-Hirse minus 30 %), sondern durch Ausweitung der Anbauflächen auf das Vierfache (Millet-Hirse) bzw. über Siebenfache (Sorghum-Hirse). 2010 betrug der Anteil dieser beiden Getreidearten an der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche 65 % (3).
Die Graphik rechts zeigt die Flächenverhältnisse: Etwa zwei Drittel Wüste ("sonstige Flächen"), und ein Drittel landwirtschaftlich nutzbare Fläche (und nahezu kein Waldbestand), davon wiederum etwa zwei Drittel Sahelzone ("Weideland"). Nur 12 % der Landfläche sind bebaubar, davon wird der größere Teil für die beiden Hirsesorten genutzt (3).
Die Entnahme von Feuerholz übetrifft die nachwachsende Menge um das Doppelte (5). Die Prognosen für die Sahelzone bezüglich des Klimawandels sind kontrovers, wobei die Dürren während der vergangenen 40 Jahre zugenommen haben (6). Unabhängig davon ist eine nochmalige Verfünffachung der Anbaufläche der Hirsesorten völlig ausgeschlossen. 

Die Kindersterblichkeit unter fünf Jahren betrug 1950 ca. 33 % und fiel  bis 2015 auf etwa 10 % (2). Niger ist eines der wenigen Länder, in dem der Kinderwunsch höher ist als die tatsächliche Zahl: Frauen wünschen sich 8,8 Kinder, Männer 12,6 (Stand 2007) (5).
In der islamisch dominierten Gesellschaft bestimmen die Männer den Wert einer möglichst großen Familie. Trotz eines offiziellen Verbotes der Sklaverei (2003) seien etwa 10 % der Bevölkerung Sklaven; deren Besitzer würden die Vermehrung zur Bereitstellung kostenloser Arbeitskräfte fördern (6).
Niger ist eine präsidentielle Republik; die Scharia gilt nicht. Die religiösen Eliten proklamieren teilweise die ungeregelte Vermehrung, teilweise aber auch die Verantwortung der Eltern für Kinder und Umwelt und somit Geburtenkontrolle (6).  

2007 hatten 15 % der Frauen einfachste Schulbildung, nur 1 % hatte die Grundschule abgeschlossen. 
2009 benutzten 11 % der Frauen Verhütungsmittel, davon weniger als die Hälfte moderne Methoden (Verhütungsmittel werden seit 2002 kostenlos ausgegeben).
44 % aller Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt (Stand 2010).
Das Wirtschaftswachstum ist mit ca. 2 % niedriger als das Bevölkerungswachstum mit ca. 3,9 % (Stand 2010), die Bevölkerung verarmt weiter (5).

Niger steht repräsentativ für weite Teile von Subsahara-Afrika. Während etwa der letzten 50 Jahre des vergangenen Jahrhunderts fiel die Geburtenrate in Asien von 5,7 auf 2,4 und in Lateinamerika von 5,9 auf 2,3, während sie in Afrika meist auf über 5 verharrte.
Typischerweise herrscht geringer Wohlstand und der Bildungsgrad besonders der Frauen ist niedrig. Wahrscheinlich aufbauend auf einer hohen Kindersterblichkeit ist die Kinderwunschzahl, auch der Frauen, viel höher als auf den anderen Kontinenten. Wohl aus demselben Grund sind staatliche Investitionen in Familienplanung / Verhütungsmittel häufig gering.
Die Frage, ob unter Anerkennung der kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in Subsahara-Afrika reine Familienplanungsprogramme in der Realität einen nennenswerten Einfluss auf die Kinderwunschzahl und die Geburtenrate haben können, wird kontrovers diskutiert.
Ein positives Beispiel wird im Vergleich zwischen Ruanda und Burundi, zwei benachbarten Ländern in Ostafrika, gesehen. Mitte der 2000er intensivierte Ruanda mit internationaler Hilfe seine Familienplanungsprogramme, verbesserte den Zugang zu Verhütungsmitteln deutlich und führte eine Informations- und Kommunikationskampagne durch. Innerhalb von fünf Jahren stieg die Anwendung von Verhütungsmitteln durch verheiratete Frauen von 10 % auf 45 %, und die Geburtenrate fiel von 6,1 auf 4,6. Der Kinderwunsch ging geringfügig zurück. Im Vergleich dazu blieb die Geburtenrate in Burundi nahezu unverändert bei 6,4 (7)





Quellenangaben und Anmerkungen
(1) Wikipedia, abgerufen 7.4.16
(2) UN World Populations Prospects, 2015
(3) FAO Stat, Version von 2014 (Food and Agricultural Organisation of the United Nations)
(4) FAO Stat, Version von 2014, Food Balance Sheets
(5) M. Potts et al., "Niger: Too Little, Too Late.", International Perspectives on Sexual and Reproductive Health, Guttmacher Institute, vol. 37, no. 2: 95-101 (2011)
(6) A. Weisman, "Countdown" (London: Little Brown Group, 2013)
(7) J. Bongaarts, "Can Family Planning Programs Reduce High Desired Family Size in Sub-Saharan Africa?", International Perspectives on Sexual and Reproductive Health, Guttmacher Institute, vol. 7, no. 4: 209-216 (2011)