_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Fazit aus Feldforschung und Theorie: Worauf kommt es an?

 

Allmenderegeln

 

 
  Tafel 1:       Faktoren, die die Bildung einer
                    Allmende-Institution fördern
R: Ressource, N: Nutzer
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  Tafel 2:         Designprinzipien erfolgreicher
                          Allmende-Institutionen
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Elinor Ostrom sammelte im Verlauf einiger Jahrzehnte durch eigene Feldforschung und Auswertung von Ergebnissen Dritter und Metaanalysen Information über Hunderte von Allmendesituationen. Die Untersuchungen reichen von Bewässerungsystemen über Grundwasser- und Waldnutzung über Weidebewirtschaftung bis zur Tiefsee- und Küstenfischerei, decken Gebiete in mehreren Kontinenten (wie Nord- und Südamerika, Asien, Europa) ab und schließen historische Institutionen bis ins Mittelalter ein.
Diese Ergebnisse fasste sie auf Basis der oben vorgestellten theoretischen Zusammenhänge in einfachen Aussagen zusammen (1).

Nicht alle Überlastungssituationen öffentlicher Ressourcen führen zu einer eigenverantwortlichen Reaktion der Nutzer ("Dilemma der Institution"). Tafel 1 fasst die Faktoren zusammen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Selbstorganisation stattfindet. Sowohl der Zustand der Ressource spielen eine Rolle als auch  Einschätzung und Verständnis der Nutzer sowie deren soziale Erfahrung. Eine nicht zu vergessende Voraussetzung ist die Selbstbestimmung in hinreichendem Maß.

In Tafel 2 werden die Designprinzipien genannt, die erfolgreiche von nicht erfolgreichen Fallstudien unterscheiden.
Man erkennt unschwer Strukturen der weiter oben theoretisch beschriebenen Institution:
- Es sind Regeln erforderlich für die Abgrenzung und für Rechte und Pflichten; diese sind fair und werden von den meisten Teilnehmern selbst gestaltet.
- Es erfolgt eine Kontrolle im Verantwortungsbereich der Institution selbst.
- Es sind wirksame Sanktionen vorhanden, auch dies innerhalb der Institution.
Die Institution muss veränderungsfähig sein (Thema Konfliktlösung) und in einem akzeptierenden und möglichst fördernden Außenrahmen stehen.



 

   
  Tafel 3:                Bedingungen für einen
                             erfolgreichen Wandel
  Tafel 4:                       Bedrohungen


Werden durch äußere Umstände oder durch das Verhalten einzelner Gruppen oder aller Teilnehmer die Zustandsbedingungen der Ressource verschlechtert, stellt sich die Frage, ob die Teilnehmer überhaupt, mit genügender Geschwindigkeit und angemessen reagieren. Tafel 3 nennt Bedingungen, die die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Reaktion erhöhen. Als wesentlich wird eine hinreichende Homogenität der Institutionen-Teilnehmer genannt: Die Formulierung "Die meisten Akteure..." kommt in vier von sechs Punkten vor, und die Stabilität der Gruppe (6. Punkt) wirkt über das Vermeiden zu häufiger Teilnehmerwechsel in diesselbe Richtung. Des weiteren ist wichtig, dass Veränderungen, d. h. im allgemeinen Sprachgebrauch politische Veränderungen, mit machbarem Aufwand durchsetzbar sind (4. Punkt).

Das System der Gemeinschaftswährung Euro mag als Beispiel dienen (3).
- Öffentliche Ressource = Gemeinschaftswährung
- Entnommenes Gut = Kredite der Mitgliedsstaaten (öffentliche Verschuldung)
- System der Reziproziät: Staatsschulden werden zurückgezahlt, es gilt gemäß den Maastricht-Kriterien das No-Bailout-Prinzip.
- Veränderung durch Verhalten einiger Mitgliedsstaaten (vor dem Hintergrund diverser realwirtschaftlicher und finanzwirtschaftlicher Ursachen, die hier nicht weiter betrachtet werden): Staatsschulden werden nicht zurückgezahlt - vgl. "Wegnehm-Spiel", Basisversion. Auf die Finanzkrise 2008 folgt die Euokrise ab 2010.
- Ein Wandel der Institution "Euro" wurde erforderlich. Tafel 3 bietet die Checkliste, ob er erfolgreich sein wird.
Siehe Die , dort auch Allmende-Sichtweise, wo Tafel 2 und Tafel 3 angewendet werden (Stand 2010, als mit rasch aufeinanderfolgenden Brüsseler Krisensitzungen versucht wurde, das Buschfeuer der Währungsspekulationen einzudämmen).  

Welches sind die kritischsten Faktoren, die ein Scheitern wahrscheinlicher machen?
Dies sind  (Tafel 4) einmal externe Faktoren, wie zu hohe Veränderungsgeschwindigkeit, mit der die Selbständerungsfähigkeit der Institution nicht Schritt hält, sowie mangelnde Unterstützung übergeordneter politischer Systeme. Letzteres entfällt für globale Ressourcen, da es für die "Weltgemeinschaft" keine übergeordnete Instanz mehr gibt.
"Mangelnde Bildung" und "mangelnde Weitergabe an die nächste Generation" beziehen sich neben problemlösungsrelevanter Sachinformation auch auf den sich wie ein Roter Faden durch Elinor Ostroms Analyse ziehenden Begriff der Normen (und Regeln). Die für die Funktion der Institution entscheidenden gemeinsamen Normen sind auch Information, die ohne Kommunikation verschwindet.
Den 3. Punkt, externe Finanzierung als Bedrohung, fand Ostrom regelmäßig bei Entwicklungshilfeprojekten, sofern die Mittelvergabe verknüpft wurde mit externen Regeln. Dies führte einerseits meist zu Bereicherungsverhalten der durchleitenden Stellen (Korruption), und andererseits (sowie dadurch verstärkt) zu einer Abnahme der gemeinsamen Normen der untergeordneten Institution, da das Gefühl der Selbstbestimmung unterdrückt wurde.

Zurück zum Beispiel "Euro": Die aktuellen (Stand 2013/2014) Bemühungen, "Hilfs-"Zahlungen an überschuldete Staaten mit Bedingungen zur Selbst-Reorganisation zu verbinden, zeigen den Versuch, diesen Bedrohungspunkt ("Hilfsprogramm mit leichtem Zugang zu externer Finanzierung") nicht zum Kriterium des Scheiterns werden zu lassen.

Elinor Ostrom, als erste Frau Wirtschaftsnobelpreisträgerin 2009 für ihre Arbeiten zur "erfolgreichen Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums durch Nutzerorganisationen", begann ihre Forschungslaufbahn (1965, PhD) mit der Untersuchung des Grundwassermanagements in wasserarmen Regionen Kaliforniens, und beschäftigte sich häufig mit kleinen lokalen Gruppen von wenigen Dutzend bis einigen hundert Personen. Sie schließt ihr Werk (2005 (1)) mit dem Satz: "Das Lernen von Problemlösungsfähigkeiten auf lokaler Ebene schafft Bürger, die mit diesen Fähigkeiten weiterreichende Probleme ansprechen können, die alle Menschen dieser Erde betreffen." 




Quellenangaben
Tafel 1 und 4 nach (1), Tafel 2 und 3 nach (2), teilweise verkürzt und abgewandelt  
(1) E. Ostrom, "Understanding Institutional Diversity" (Princeton: Princeton University Press, 2005)
(2) E. Ostrom, "Governing the Commons - The Evolution of Institutions for Collective Action" (Cambridge: Cambridge University Press, 1990); s. auch Buchtipps
(3) eigene Darstellung, s.



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