Corona - statistische Auswertungen zu Fallschwere und Sterbestatistik
Corona: Wie gefährlich ist es?
April 2020
1. Sterberisiko durch Corona
Welcher Bruchteil der Bevölkerung stirbt, wenn alle durchinfiziert sind, bevor wirksame Medikamente und Impfungen verfügbar sind?
Das hängt natürlich von Eigenschaften der betroffenen Population ab (wie Altersverteilung und Gesundheitszustand), von der Güte des Gesundheitssystems und davon, ob dieses überlastet wird oder nicht.
Im folgenden wird der Fokus auf Deutschland bzw. vergleichbare Länder gelegt.
Die Prozentangaben "Tote / positiv gemessene Fälle" - z. B. 4,0 % für USA (1), 2,5 % für Österreich (1), 2,3 % für Deutschland (2), 0,5 % für Island (3) sind bekanntermaßen systematisch falsch, da die Dunkelziffer (vor allem von symptomfreien oder symptomarmen ungetesteten Infizierten) nicht bekannt ist, und auch, wieviele Personen zwar mit, aber nicht wegen Corona gestorben sind. Beide systematischen Fehler führen zu einer fälschlich zu hohen Todesrate - nur wieviel niedriger ist sie in Wirklichkeit?
Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzte sie Stand März 2020 (4) auf 0,56 %, vor allem mit Hilfe chinesischer Zahlen. Siehe Abbildung unten.
Fallschwereabschätzung Quelle: RKI (4) |
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Die Dunkelziffer verbirgt sich in den "75 %", in dieser Zahl liegt die größte Ungenauigkeit.
Um die Dunkelziffer zu ermitteln, benötigt man eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung, die hinreichend groß sein muss (5).
Erste Pilotstudien wurden gemacht, so die "Gangelt-Studie" (6), die eine Sterberate von 0,37 % abschätzte, oder die österreichische "Dunkelzifferstudie" (7) (diese schon unter Einsatz von Antikörpertests, d. h. ausgeheilte Infektionen wurden mit erfasst), die eine Dunkelziffer von rund Faktor drei ermittelte und damit eine Sterberate von rund 0,7 % (Österreich). Beide Pilotstudien wurden mit kleinen Stichproben durchgeführt (509 bzw. 1544 Personen) und sind daher sehr ungenau.
Interessante Daten liefern die isländischen Messungen. Dieses Land will die gesamte Bevölkerung (364 000 Personen) durchtesten und hat bereits knapp 10 % erledigt: 34635 Messungen (8) - eine attraktiv große Stichprobe. Rechnet man die Ergebnisse (Methode siehe (8)) auf die Gesamtbevölkerung hoch, ergibt sich eine Sterberate von 0,19 % (Island). Allerdings leidet auch diese Abschätzung unter möglichen systematischen Fehlern und dem Problem kleiner Zahlen - nur 8 Todesfälle in Island. Die Bevölkerung ist jünger als in Deutschland, sodass das Ergebnis nicht direkt übertragbar wäre.
Der Autor erwartet, dass die echte Zahl für Deutschland zwischen 0,1 und 0,3 % Todesfälle der Gesamtbevölkerung bei vollständiger Durchseuchung liegen wird.
0,2 % würden etwa 166 000 Tote bedeuten, oder rund das Achtfache der starken Grippesaison 2017/2018 mit 25 000 Toten.
2. Altersstatistik der Todesfälle durch Corona
Mit den gemeldeten Corona-Todesfällen nach Alterskohorte (9), der Bevölkerungspyramide (10) und den natürlichen Sterbezahlen nach Alter (11) lässt sich mit Einsetzen einer angenommenen Todesrate durch Corona - hier wurde die Zahl von 0,2 % verwendet - das Zusatzsterberisiko durch Corona für jede Alterskohorte ermitteln. Die Graphik unten zeigt das Ergebnis.
Sterbewahrscheinlichkeit (vor Corona) je Altersgruppe und Zusatzrisiko durch Corona (0,2 % Durchschnittssterblichkeit durch Corona angenommen) Quelle: Eigene Auswertung aus (9), (10), (11) |
Man kann ablesen (blaue Balken): Die "natürliche" Wahrscheinlichkeit für einen 20-29-Jährigen innerhalb eines Jahres zu sterben beträgt rund 0,03 % (man beachte die halblogarithmische Darstellung), für einen 60-69-Jährigen etwas über 1 % (1,15 % ist der Mittelwert für die Gesamtbevölkerung).
Die Zusatzgefährdung durch Corona - hier angenommen 0,2 % Durchschnittssterblichkeit) liegt (rote Balken) für 0-49-Jährige bei rund 0,1 (10 % Zusatzrisiko) und steigt für die 70-79-Jährigen auf etwa 0,23 (23 % Zusatzrisiko).
Die relative Gefährdung Älterer ist also geringer als es die absoluten Sterbezahlen suggerieren.
Insgesamt ist dies ein signifikantes, aber doch überschaubares Krisenszenario.
Rund 40 % der Sterbefälle haben mindestens eine Vorerkrankung (12).
3. Konsequenzen einer Überlastung des Gesundheitsystems
Das Gesundheitssystem hat Engpasskomponenten, z. B. die Zahl des verfügbaren medizinischen Personals, notwendige Ausrüstung wie Masken und Schutzanzüge sowie die Zahl der Intensivstationsbetten.
Die qualitative Presseberichterstattung legt nahe, dass letztere in Deutschland der Engpass sein könnten, und dass - nach einer Circa-Verdoppelung der Bettenzahl seit Coronaausbruch - heute (Stand Anfang April 2020) eine Reserve von rund einem Faktor vier vorhanden sei.
Bei dieser - sehr ungenauen - Schätzung wären rund 20 000 Coronafälle täglich möglich statt der rund 5000 bis 6000 Fälle pro Tag der letzten Wochen (bei Beibehaltung der relativen Probenhäufigkeit).
Die Politik kann diesen Spielraum nutzen, um das öffentliche Leben zu gestalten.
Würde dieser Wert bei unkontrollierter Ausbreitung der Pandemie erheblich überschritten, könnte die Zahl der Todesfälle - bei wie oben abgeschätzt einer Dunkelziffer von rund dem Faktor drei - von 0,2 % auf bis zu maximal 1,5 % steigen, wenn man davon ausgeht, das krankenhauspflichtige aber unbehandelte Fälle sterben würden.
4. Andere Länder
- Eine jüngere Bevölkerung verbessert die Situation --> z. B. Schwarzafrika
- Eine ungesündere Bevölkerung verschlechtert die Situation --> z. B. USA, Saudi-Arabien, Türkei, Australien, Mexiko u. v. a. durch Adipositas
- Die Qualität und Quantität (z. B. Bettenreserven) des Gesundheitswesens hat einen wesentlichen Einfluss.
5. Dauer der Durchseuchung
Rechnet man wiederum mit einer Dunkelziffer Faktor drei, so wäre Deutschland aktuell zu ca. 0,45 % durchseucht. Bei beispielsweise gemessenen 10 000 Fällen täglich (mal Dunkelziffer von drei) würde es 7,5 Jahre dauern, bis die gesamte Bevölkerung durchseucht wäre.
Was folgt daraus?
Die prinzipielle Situation wird sich vor dem Ausrollen von Impfung/Medikamenten, also voraussichtlich in den nächsten vielen Monaten, nicht ändern.
Die Abwägung verschiedener Interessen legt das Modell nahe, dass Politik und Gesellschaft die Infektionsrate eher hoch - jedoch mit sicherem Abstand zur Überlastungsgrenze des Gesundheitssystems - halten, jedoch mit besonderen Schutzmaßnahmen für die Risikogruppe der Älteren und Vorbelasteten.
Quellenangaben und Anmerkungen
(1) Johns Hopkins University, Coronavirus Research Center, abgerufen 13.4.20
(2) Robert Koch-Institut, Covid-19-Dashboard, abgerufen 13.4.20
(3) Covid-19 in Iceland - Statistics, abgerufen 12.4.20
(4) Robert Koch-Institut, "Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland", 20.3.20; Graphik eigene Darstellung
(5) In Deutschland ist - ohne Berücksichtigung der Dunkelziffer - rund jeder Tausendste infiziert (gewesen). Eine Stichprobe sollte also z. B. mindestens 10 000 Personen umfassen; dabei würden statistisch 10 Personen positiv sein, plus die gesuchte Dunkelziffer zusätzlich.
(6) aerzteblatt.de, "Feldstudie zu SARS-CoV-2: Bei 15 Prozent in Gangelt Infektion nachgewiesen", H. Streek, vom 9.4.20
(7) welt.de, "„Eisberg höher als gedacht“ – Österreich legt Dunkelziffer-Studie vor" vom 10.4.20
(8) Quelle siehe (3). Daten: 34635 Messungen (1689 Infizierte), davon rund 41 % durch staatliche Messtellen, 59 % durch Drittfirma. Die staatlichen Messungen erfassen vordringlich Infizierte mit Symptomen und Kontaktpersonen (ca. 1542 Fälle oder 10,9 % der Messungen), die Drittfirma arbeitet den Rest der Bevölkerung ab (nach dem Autor nicht bekannten Kriterien) (ca.147 Fälle oder 0,74 % der Messungen). Trifft man die Annahme, dass die Drittfirmenmessungen repräsentativ für die Schwach- und Nichtsymptom-Infizierten sind, kann man die restlichen 90 % der Bevölkerung mit dem Infektionsgrad von 0,74 % hochrechnen und erhählt für gesamt Island 4159 (hypothetische) Infizierte entsprechend einer Durchseuchung von 1,14 %.
Weitere Daten aus der Quelle abgelesen: 36 Fälle im Krankenhaus (Standard), 10 Fälle in Intensivbehandlung, 8 Tote. Die Zahl der Toten bezogen auf die Durchseuchung von 1,14 % ergibt eine Sterberate von 0,19 %.
(9) deutschlandfunk.de. "RKI: Corona-Tote in Deutschland derzeit im Durchschnitt 82 Jahre alt" vom 6.4.20. Die abgelesenen Zahlen: 0-59 Jahre 57, 60-69 Jahre 101, 70-79 Jahre 282, 80-89 Jahre 572, 90 Jahre und älter 144 Tote.
(10) Statistisches Bundesamt
(11) Statistisches Bundesamt "Gestorbene nach Altersjahren"
(12) RKI, "Vorläufige Bewertung der Krankheitsschwere von COVID-19 in Deutschland basierend auf übermittelten Fällen gemäß Infektionsschutzgesetz", 9.4.20; als Vorerkrankungen gelten: Herz-Kreislauferkrankung (inkl. Bluthochdruck), Diabetes, Lebererkrankung, neurologische Erkrankung, Immundefekte, Nierenerkrankung, Lungenerkrankung, Krebserkrankung