_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Agriculture Bill 2019-2020 von England

 

Ökologische Agrarförderung in Großbritannien nach Brexit

April 2020

Shetland Inseln, Großbritannien (2017)


Europäischer Rahmen

Vom EU-Haushalt 2020 (169 Mrd. €) wurden 36 % oder 60 Mrd. € für den Agrarhaushalt verwendet. 4,0 Mrd. € davon flossen im Vorjahr nach Großbritannien, davon 80 % als reine Flächenförderung. Nach dem Brexit ist dieser Betrag entfallen.
Die europäische Agrarförderung GAP ("Gemeinsame Agrarpolitik") verteilt einen Großteil der Förderung rein nach bewirtschafteter Fläche. Umweltverbände beklagen seit Jahren eine zu geringe Förderung ökologischen Handelns in der Landwirtschaft.


Bedeutung der Agrarförderung für Großbritannien

Wie stellt sich die finanzielle Situation der Landwirtschaft in Großbritannien dar?
Die Zahl der Beschäftigten halbierte sich seit 1970 auf rund 180 000 Personen.
Ohne Förderung würden 42 % der Betriebe mit Verlust arbeiten (19 %, wenn die Abschreibung nicht berücksichtigt würde). Die direkte Förderung beträgt im Durchschnitt 9 % des Umsatzes (Bruttoeinkommen).

 Umsatz (brit. Pfund) pro Betrieb und Anteil der Förderung (%) für die verschiedenen Landwirtschaftszweige
 v.l.n.r.: Alle / Getreide / allg. Feldwirtschaft / Milchwirtschaft / Gartenbau / Weide in benachteiligten Gebieten
 [z. B. Hochland] / Weide im Flachland / Gemischt / Schweinezucht / Geflügelzucht
 Quelle: House of Commons Library (1)

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Die Graphik oben zeigt Umsätze und Förderungsanteil nach Landwirtschaftsbranchen. Man kann ablesen, dass Geflügelzucht, Schweinezucht und Milchwirtschaft eher die größeren Betriebe haben, während Weidewirtschaft (meist Schafzucht) und Getreideanbau zu einem höheren Anteil von der Förderung abhängen.
Es bestand nach dem Brexit also die Notwendigkeit, eine Agrarförderung in vergleichbarer Höhe weiterzuführen.


Der englische Weg

Großbritannien - genauer gesagt England, da die Agro-Gesetzgebung an die Landesteile delegiert ist - entschied sich dafür, künftig die Agrarproduktion und gleichzeitig die nachhaltige Bewirtschaftung mit Bereitstellung öffentlicher Güter, wie Umweltschutz und Tierschutz, zu fördern (2a).
Untenstehend eine Übersetzung der Förderungsinhalte.

 
      Quellen:        links: Gesetzestext (2) (3)                                                         rechts: Beispiele dazu (1)





Die Liste liest sich wie ein Forderungskatalog von Umweltverbänden, aber auch der Bauernverband NFU (National Farmers Association) zeigte sich einverstanden, dass "Nahrungsmittelproduktion und Umweltschutz Hand in Hand gehen" müßten.

Weitere Details:

  • Es wird eine siebenjährige Übergangsfrist geben. Die von der Flächenprämie bisher stark profitierenden Großbetriebe werden rascher umgestellt, im ersten Jahr bereits um 25 %, im Gegensatz zu den kleinsten Betrieben (um 5 %). Hochland-Bauern sollen profitieren.
  • Bei der europäischen GAP wurden lasche Kontrollen, dafür hohe Strafen kritisiert, beides unerwünscht. Im neuen System sollen die Kontrollen dichter erfolgen, mit milderen Sanktionen inklusive Mahnungen als erster Stufe.
  • Nahrungsmittelerzeugungssicherheit: Alle fünf Jahre soll ein Bericht erstellt werden (Der nationale Eigenversorgungsanteil beträgt heute 61 %).
  • Der Handel soll "fairer" gestaltet werden zugunsten der Landwirte, z. B. durch stärkere Transparenz bei den Preisen und sonstigen Marktdaten, sowie durch die Förderung von "Produzenten-Organisationen", die diesen größere Marktmacht gegenüber den Großhändlern geben sollen. Von der gesamten Handelskette soll mehr Profit bei den Landwirten verbleiben.
  • "Bio"-Produktion kann eigenständig gefördert werden.


Man darf gespannt sein, wie sich dieses ökologische Förderungssystem, in Großbritannien als durch den Brexit ermöglichte  "historische Chance" wahrgenommen, in den nächsten Jahren in der Realität umsetzen wird.

 

Quellenangaben und Kommentare
(1) House of Commons Library, Briefing Paper, Number CBP 8702, 10.2.2020, "The Agriculture Bill 2019-20" [dort: "download the full report")
(2) Agriculture Bill (HC Bill 106), Teil 1, Kapitel 1, Absatz 1, Unterabsatz 1; Übersetzung durch Autor
(2a) ebenda: Teil 1, Kapitel 1, Absatz 1, Unterabsatz 4
(3) Englischer Originaltext der übersetzten Passage



vorherige Seite: EU-Wahl 2019