_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Die Entwicklung des Geldes und der Kreditformen in Europa vom Mittelalter bis heute

 

Geschichte des Finanzwesens
 

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit der Finanzentwicklung der sogenannten Ersten Welt, d. h. ausgehend vom Europa des Mittelalters. Er beansprucht keinerlei Vollständigkeit.

Das im Römischen Reich hoch entwickelte Münzwesen - es wurde Gold, Silber und Kupfer verwendet - ging im Frühmittelalter verloren. Erst unter den Karolingern, im achten Jahrhundert, wurde das Münzwesen unter staatliche Aufsicht gestellt, und das (Silber-)Pfund zu 20 Schillingen zu 12 Denaren (Pfennigen) geschaffen (Diese Skalierung blieb in Großbrittanien bis 1971 erhalten). Die Zahl der Münzen hing naturgemäß von der Menge des vorhandenen bzw. geförderten Silbers ab, das z. B. aus Minen im Harz oder im Schwarzwald kam, andererseits vom "Schrot" und "Korn" der Münze. "Schrot" bezeichnet das Gewicht, "Korn" den Gehalt an Silber.

Der Münzherr bestimmte durch "Schrot" und "Korn" seinen Gewinn. Er konnte "Münzverrufungen" durchführen, bei denen die alten Münzen wertlos wurden und z. B. 12:9 gegen neue, evtl. schlechtere Münzen eingetauscht werden mußten. So wurden Geldbesitzer besteuert und gleichzeitig eine Inflation in Gang gesetzt.

Im Hochmittelalter bis ins 12. Jht. gab es nicht genug Münzen für eine Durchdringung des Handels, die Fronarbeit (als Gegenleistung für Schutz und dieVerfügungstellung des bewirschaftbaren Landes) und der Tauschhandel waren üblich. Münzen wurden mehrheitlich für den Fernhandel, zum Tausch gegen z. B. Felle, Honig oder Wachs gebraucht.

Ab dem 12. Jht. wurden neue Silberlagerstätten bei Meißen, auf Sardinien und in Böhmen entdeckt und erschlossen, die im 14. Jht. bis zu 20 t Silber pro Jahr lieferten. Venedig prägte den Grosso (Groschen, Kreuzer).
Im 13. Jht. lieferte die Agrarproduktion bereits deutliche Überschüsse, sodass die Städte wachsen konnten. In Italien bildeten sich mit Pisa, Genua, Venedig Zentren des Handels heraus. Der Nordhandel lief über mehrmals jährlich stattfindende Messen in der Champagne, wo Stoffe aus Flandern, Pelze aus dem Osten, Gewürze und Zucker aus dem Mittelmeerraum und aus Asien gehandelt wurden. Da der Norden mehr importierte, floss Silber nach Italien und von dort nach Asien.
Gold wurde im Sudan gewonnen, dort gegen Textilien, Glas und Salz aus Europa und der islamischen Welt getauscht und gelangte damit in diese Regionen.

Pisa und Genua erkannten, dass Silber im goldreichen, aber silberamen Afrika relativ mehr wert war, und engagierten sich im Währungshandel. Christliche Bischöfe prägten Silbermünzen mit dem Aufdruck "Es gibt keinen Gott außer Allah" und führten sie mit Gewinn in Nordafrika ein.

Gleichzeitig fanden im toskanischen Handelszentrum der damaligen (europazentrierten) Welt wesentliche Neuerungen im Handelswesen statt. Aus fahrenden Kaufleuten wurden dauerhafte Firmen, die Gesellschafter (Investoren) hereinnehmen und an den verschiedenen Handelsplätzen Kontore unterhalten konnten. Um den Überblick nicht zu verlieren, wurde die doppelte Buchführung entwickelt. Als wichtigste Neuerung wurde der Wechsel eingeführt, ein Zahlungsversprechen in Form eines Dokumentes, in dem der Schuldner seinem Handelspartner versprach, dessen Beauftragten von seinem eigenen Beauftragten an einem anderen Ort zu einem späteren Zeitpunkt eine gewisse Summe Geldes auszahlen zu lassen.

Damit waren der Kredit und der bargeldlose Zahlungsverkehr geboren. Die italienischen Handelshäuser transferierten Geld zu den Zeiten an die Handelsplätze Europas, an denen es dort knapp war, und machten bei Kenntnis der Wechselkursschwankungen gewinnbringende (Währungs-)Wechselgeschäfte. Durch die im Wechsel festgelegten Umtauschbedingungen ließ sich auch ein Zinsgewinn unterbringen, ohne dem christlichen Zins- und Wucherverbot zu widerhandeln. Die italienischen Handelshäuser wandelten sich von Waren- zu Geldhändlern.

Der Privatmann konnte Währungen (Münzen) beim Geldwechsler an seinem Wechseltisch (lateinisch bancus, daher der Name Bank) umtauschen. Er konnte Einlagen auf ein conto corrente einzahlen, von dem der Wechsler auf Anweisung Überweisungen zu anderen Konten durchführte.

Insoweit Kunden ihre Einlagen nicht abhoben, verfügte der Wechsler über Kapital, das er verleihen konnte - gegen Zinsen natürlich.

Das 14. und 15. Jht. war in Nordeuropa geprägt durch Pestepidemien und viele Kriege (Hundertjähriger Krieg zwischen England und Frankreich). Die Kriegsparteien finanzierten ihre Ausgaben durch Abwertung - so wurden z. B. im heutigen Südfrankreich im Jahr 1422 sechsundvierzigmal soviele Münzen pro kg Silber geprägt wie im Jahr 1416, und etwa im vergleichbaren Zeitraum wurden im heutigen Ostfrankreich zwölf Abwertungen beim Gold- und sieben beim Silbergeld durchgeführt. Achzig Prozent der königlichen Einnahmen kamen aus dem Münzgewinn.
Beim Kriegsgegner England bewilligte das Parlament direkte Steuern, und diese zusammen mit dem Woll-Ausfuhrzoll ermöglichten die Kriegsfinanzierung. Der Penny wurde nur einmalig (1412) um ein Sechstel verschlechtert.

Mit Hilfe der Münzverschlechterungen (heute würde man sagen: Durch das Drucken von Geld) bezahlten die Herrscher ihre Söldnerheere. Verlierer waren Geldempfänger und -besitzer, d. h. die Söldner selbst, die immer weniger Ware für ihren Lohn erhielten, die Grundherren, die immer weniger Silber als Pachtzins erhielten, die Bauern und Bürger, die Münzen als Ersparnis besaßen. Gewinner waren alle Schuldner.
England war in einer günstigeren Position, da es über einen begehrten Exportartikel (Wolle) verfügte, dessen Gewinnspanne es über Zollgebühren teilweise abschöpfen konnte.

Die Silberförderung war zurückgegangen, d. h. Geld war knapp, sodass für den Fernhandel, den Adel, die Städte, aber auch für den lokalen Handel das Kreditwesen wichtiger wurde. In Italien hatten sich mächtige Banken entwickelt, z. B. in Florenz die Häuser der Medici, Pizzi, Strotti. Die Zentren des sich wiederbelebenden Fernhandels waren die Messen von Genf und Lyon, wo die ersten internationalen Wechselmessen entstanden. Dort wurden von den Messe-Bankiers Wechsel verschiedener Währungen und Termine gehandelt und Kredite vergeben. Ebenso finanzierten sie in- und ausländische Herrscher, z. Teil im Austausch für Handelspriviliegien, wie z. B. das Recht auf zollermäßigte Wollausfuhr aus England. Das Bankenwesen hatte sich als eigenständiges Gewerbe etabliert.

Es gab die ersten Bankenpleiten. Mitte des 14. Jht. gingen die Häuser der Bardi und Peruzzi in Florenz in Konkurs, da sie große Summen an England verliehen hatten, welches nach Beginn des 100-jährigen Krieges den Schuldendienst einstellte. Andere Bankhäuser reagierten darauf, indem sie regionale Filialen ausgliederten, sodass der Konkurs einer Filiale das Stammhaus nicht betraf.

Für Privatleute und den lokalen Handel hatten sich die schon bekannten Wechselbanken etabliert.

1453 ging die Wechselbank Soranzo in Venedig in Konkurs. Ursache war die Flucht des Kassierers, der ohne Genehmigung große Kredite an einen Kaufmann vergeben hatte, der ebenfalls auf der Flucht vor seinen Gläubigern war. Es folgte eine Anklage wegen betrügerischen Bankrotts.
Venedig reagierte, indem es ein Gesetz erließ, dass eine Bank mindestens 20 000 Dukaten Eigenkapital einbringen müsse.

Die Armen, aber nicht nur diese, hatten die Möglichkeit, sich Geld beim Pfandleiher zu besorgen. Pfandleiher waren Juden (wegen des Kanonischen Zinsverbotes) oder christliche sog. Lombarden. Der Zins betrug bis zu 25%.

Landesherren verboten einerseits den Wucher, und konzessionierten ihn andererseits gegen Gebühren.

Im 16. Jht. waren die Seewege um Afrika herum nach Indien sowie nach Süd- und Mittelamerika etabliert, und der ökonomische Schwerpunkt verlagerte sich vom Mittelmeer an den Atlantik. Das norddeutsche Bankhaus der Fugger beutete Silberminen in Tirol und im Erzgebirge aus, mit jeweils bis zu über 20 t Silber pro Jahr, und aus Peru und Mexiko flossen bis zu über 200 t pro Jahr nach Spanien. Ein Teil der Schiffsladungen wurde im Auftrag der englischen Krone von Freibeutern geraubt.
Die Fugger waren in der ersten Hälfte des Jahrhunderts das führende Bankhaus Europas. Sie kontrollierten neben Silber- auch Kupfer- und Quecksilberbergwerke (Quecksilber war erforderlich zur Silbergewinnung) und finanzierten die habsburgische Großmachtpolitik. Um gegen den französichen König Franz I. 1519 seine Wahl zum deutschen König durchzusetzen, bestach Karl (später Karl V.) die wahlberechtigten Kurfürsten. Zweidrittel der Bestechungssumme, einen Betrag von ca. 550 000 Gulden, lieh er sich beim Haus Fugger, gegen Monopole im Kupfer-, Silber- und Quecksilbergeschäft. Zum Vergleich, 3 Gulden entsprachen etwa dem Monatslohn eines Handwerkers.

Mehrere Staatsbankrotte Spaniens führten zu großen Verlusten des Bankhauses. Anfang des 17. Jht. beliefen sich die Abschreibungen aus dem Habsburger Reich auf acht Millionen Gulden, einem erheblichen Teil dessen, was das Haus Fugger im Lauf ihrer Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hatte. Es entging nur dem Bankrott, da es stets großteils mit Eigenkapital gearbeitet hatte.
Durch die nicht bedienten Kredite war also ein Großteil des nominal hohen Geschäftsgewinnes der Fuggerbank direkt bei der Krone gelandet.

In der zweiten Hälfte des 16. Jht. verdrängen die Genueser Banken die Fugger von ihrer europäischen Vormachtstellung, da sie mit mehr Fremdkapital arbeiteten. Das wurde möglich durch zwei Modernisierungen des Wechsels. Erstens konnte der Wechsel beliebig oft weitergegeben werden, indem auf der Rückseite der Name des aktuellen Zahlungsberechtigten eingetragen wurde, und zweitens wurde es üblich, zeitliche Vorfälligkeiten mit einem Zinssatz auszugleichen, dem Diskont. Beide Innovationen, die Rechte des Schuldschein-Inhabers sowie das Recht auf Zinserhebung, wurden in England und im Kaiserreich durch Gesetze legalisiert. Durch die veräußerbaren Schuldscheine war eine Art Papiergeld für Kaufleute geschaffen.

Die Genueser Banken nutzten diese Werkzeuge, indem sie, mit heutigen Worten, langfristige Kredite aufnahmen (durch Ausstellen von Wechseln), und mit dem geliehenen Kapital gewinnbringend handelten, d. h. es zu höherem Zins weiterverliehen. Die allgemeine Akzeptanz der Schuldscheine erhöhte die Geldmenge und ermöglichte erst eine hohe Fremdkaptalquote.

Die handelbare Verbriefung von Ansprüchen gab den Rahmen für die Spekulation in Warentermingeschäften (so konnte ein Bauer seine Ernte schon im Frühjahr, gegen einen verhandelten Abschlag, verkaufen) oder in Schiffsversicherungen.Rentengeschäfte, auch unter Privatleuten, wurden möglich (z. B. die Kreditvergabe gegen die Sicherheit eines Grundeigentums).
1531 wurde die Antwerpener Börse als ganzjähriger Kapitalmarkt gegründet, 1571 folgte London.
 

Die Vergrößerung der Geldmenge und deren schnellerer Umlauf führten, bei gleichbleibender Warenmenge, zu einer schleichenden Inflation. Lohnempfänger erlitten einen Reallohnverlust. Um 1600 waren die Ausgaben für Brot auf ca. die Hälfte eines Handwerkerfamilienbudgets gestiegen.

Im 17. Jht. ging die Silberförderung zurück, die Importe ostasiatischer Waren nahm jedoch weiter zu. Durch dieses Handelsbilanzdefizit wurden Silbermünzen knapp. Der Dreißigjährige Krieg erforderte Finanzierung. Deshalb wurden vielerlei Kupfermünzen geprägt, deren Minderwertigkeit für Intransparenz, Unsicherheit und Ungerechtigkeit für deren Benutzer sorgte.
Städte reagierten mit der Schaffung regionaler Wechselbanken, wie Venedig oder Amsterdam. Diese etablierten stabile Handelsmünzen und ein Clearing-System für den bargeldlosen Verkehr.

So wurde - für die Kunden - ein stabiles Währungssystem in unruhigen Zeiten geschaffen. Die Satzung der "Amsterdamer Wisselbank" verbot übrigens weitgehendst die Kreditvergabe - damit war dieStabilität der Bank sichergestellt.

Nach der Glorious Revolution 1688 in England wurde in London die Bank of England geschaffen. Diese bekam die Aufgabe, die Staatsschulden in langfristige Staatsanleihen umzuwandeln und diese auf dem Markt zu verkaufen. Innerhalb kurzer Zeit wurden 1,2 Mio. Pfund als sogenannte "Sealed Bank Bills" unter die Leute gebracht, die als Zahlungsmittel kursierten. Quittungen für Einlagen, die "Bank of England Notes", zirkulierten ebenfalls als Inhaberpapiere.

Die "Notenpresse" war erfunden. Das englische System war stabil, da die Noten jederzeit in Münzgeld zurückgewechselt werden konnten, d. h. es bestand die Bindung an eine (stabile) Währung.

Das Frankreich Ludwig des XIV. hatte, unter anderem wegen zahlreicher Kriegsunternehmungen (Spanischer Erbfolgekrieg 1701-1714) einen defizitären Haushalt und nutzte zur Finanzierung neben der Münzverschlechterung die Ausgabe von verzinsten Staatspapieren. 1703 waren 6,7 Mio Pfund ausgegeben, 1706 180 Mio Pfund. Ein Kurssturz folgte. Als Lösung wurde die Banque Générale auf Aktienbasis gegründet, die mit diesem Kapital und ausgegebenen Banknoten die Staatsschulden beglich. Die Edelmetallreserve für die Banknoten betrug 50%. 1717 wurde ebenfalls auf Aktienbasis die spätere Indienkompanie gegründet, als deren Geschäftsidee das Handelsmonopol mit den nordamerikanischen Kolonien genannt wurde. 1719 wurden nochmals, für 1500 Mio Pfund, Aktien der Ostindienkompanie emittiert, die in kleine Anteile gesplittet werden konnten um auch für Kleinanleger interessant zu sein. Eine Spekulation setzte ein, die Kurse verzwanzigfachten sich in wenigen Monaten.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bot auch England seinen Gläubigern die Umwandlung von Staatsanleihen in Aktien der dortigen South Sea Company an (die den Handel mit Südamerika betreiben wollte), wovon reger Gebrauch gemacht wurde.

Aufgrund ausbleibender Erfolge der Indienkompanie stiegen Investoren aus, die Gewinnmitnahmen häuften sich, und es kam im August 1720 zu einem Crash. Die Aktien fielen inerhalb kürzester Zeit auf 40% ihres Ausgabewertes. An der englischen Börse traf die South Sea Company das gleiche Schicksal. Verlierer waren hier die Spekulanten, die nicht rechtzeitig ausgestiegen waren, einer der Gewinner war der englische Staat, der sich billig von seiner Schuld, den Anleihen, getrennt hatte.
Dies war die erste Aktienblase mit folgendem Börsencrash in der Geschichte Europas.

Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) hatte die Landwirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen. Um den notleidenden Gütern einen Wiederaufbau mit Hilfe günstiger Kredite zu ermöglichen, wurden im deutschen Raum die sogenannten "Preußischen Landschaften" geschaffen, das waren Zwangskreditgenossenschaften, in denen die Rittergüter einer Provinz kollektiv für an einzelne Güter in ihrem Raum vergebene Kredite hafteten. Durch diese Absicherung vergrößerte und verbilligte sich das Kreditangebot, das in Form sogenannter Pfandbriefe gehandelt wurde: Die Güterspekulation kam in Gang.

Der staatlich verordnete "Schutzschirm" erfüllte für die Landwirtschaft die geplante Aufgabe; da die Kredite wegen ihrer garantierten Sicherheit billig waren, wurden sie auch für Spekulationen genutzt.

Im 19. Jht. beherrschte Großbritannien über seine dominierende Flotte, seine Kolonien und eine führende Position in der industriellen Revolution die Weltwirtschaft. Zwei Drittel des Welthandels wurden über das Pfund abgewickelt, welches eine Goldwährung war. Kontinentaleuropäische Länder versuchten ihre lokalen Währungsprobleme durch Währungsunionen zu lösen, so wurde 1865 von Frankreich, Belgien, Italien und der Schweiz die sog. Lateinische Währungsunion gegründet, die einen gemeinsamen Silber-Gold-Standard festlegte. Deutschland schloss sich nach der Reichsgründung 1871 der Goldwährung an, ebenso wie 1873 die nordischen Länder in der Skandinavischen Münzunion.

Das Bestreben, den Transaktionskostennachteil der kleinräumigen Währungsgebiete gegenüber dem übermächtigen Pfund auszugleichen, war erkennbar. Interessant waren die Lobby-Argumentationen für das bessere System: Die Agrarier plädierten für eine weiche (Silber-)Währung, um im Export Vorteile zu haben. Die Industriellen favorisierten die harte (Gold-)Währung, um den Zufluss ausländischen Kapitals zu stimulieren.

Mit den Gütermengen der Industrie, die rasant wuchs und in den Gründerjahren (um 1870) einen besonderen Boom erlebte, wuchs die Geldmenge mit. Sie stieg in der zweiten Hälfte des 19. Jht. um das ca. 5-13-fache (Großbritannien/Deutschland), wobei um die 70% bargeldlose Einlagen waren. Aktienbanken schossen aus dem Boden und entwickelten sich zu Universalbanken, die Einlagen hereinnahmen, mit Klein- und Großkrediten handelten und Aktien und Anleihen emittierten.

Durch Aufsichtsratsmandate und die Emissionstätigkeit entwickelten sich engste Verbindungen zwischen den Banken und der Industrie.

Im 20. Jht. übernahmen die USA die Vorreiterrolle in der Weltwirtschaft. Nach dem 1. Weltkrieg (1914-1918) waren England, Frankreich und Deutschland hoch verschuldet, letzteres war zusätzlich mit Reparationsforderungen von 33 Mrd. $ an die Aliierten belastet. Industrielle Anlagen waren demontiert, sodass die Wirtschaftsleistung im Verhältnis zum benötigten (geliehenen und gedruckten) Geld ständig fiel. Die Hyperinflation von 1921-1923 war die Folge, ein Kilogramm Brot kostete 680 Mio Mark. Am 15.10.1923 wurde mit einem Umtauschverhältnis von 1:1 Billion die Rentenmark geschaffen.

Verlierer waren nicht die kleinen Einkommen, sondern die mittleren, die Ersparnisse, jedoch keine Sachwerte besaßen. Industrielle wie Hugo Stinnes nutzten die Gelegenheit zur aggressiven Fremdfinanzierung, er baute seinen Montankonzern damit stark aus ("Inflationskönig").

Die USA waren zum Hauptgläubiger der Nachkriegszeit geworden und erzeugten 40% der Welt-
Industrieproduktion. Die Schuldner zahlten großteils mit Rohstoff- und Nahrungsmittelexporten. 1928 herrschte ein Aufschwung an der amerikanischen Börse, der sich zum Boom auswuchs, und spekulatives ausländisches Kapital band. England, die zweitstärkste Kraft, erhöhte als Abwehrmaßnahme den Diskontsatz, was den Abzug englischer Gelder aus New York zur Folge hatte. Die Blase platzte ab dem 24.10.1929 ("Schwarzer Freitag"). Eine Rezession setzte ein, die Agrarpreise verfielen mangels Nachfrage, was zu Kreditproblemen bei den Schuldnerländern führte. Einzelne Länder werteten ab oder erklärten ihre Zahlungsunfähigkeit. Um die nationalen Farmer zu schützen, führten die USA Schutzzölle ein, die von anderen Ländern gekontert wurden. Eine Welle des Protektionismus wurde ausgelost. 1931 brachen auch in Europa Firmen und Banken zusammen. Deutschland reagierte mit einer Deflationspolitik (Lohn- und Preissenkung), was die Rezession verstärkte. Die Arbeitslosenzahl stieg 1932 auf 5,1 Millionen. 1933 war Hitler Reichskanzler.

Internationale Schulden und unrealistische Wechselkurse hatten die Weltwirtschaft so destabilisiert, dass die Aktienblase an der weltgrößten Börse das globale Finanz- und Wirtschaftssystem zusammenbrechen ließ. Die nationalen Einzelaktionen ("Rette sich wer kann") führten weiter in die Krise.

Aus den Lehren der Weltwirtschaftskrise 1929 heraus, die von dem Ökonomen Keynes geprägt waren, planten die künftigen Siegermächte USA und Großbritannien bereits während des 2. Weltkrieges (1941) eine künftige Welt-Währungsordnung. 1944 schlossen 44 Staaten den Vertrag von Bretton Woods. Dessen Ziele waren binnenwirtschaftlicher Natur wie z. B. die Vollbeschäftigung; als Weg wurde ein System fester Wechselkurse geplant, mit geregelten Auf- und Abwertungen. Spekulationen sollten durch Kapitalverkehrskontrollen minimiert werden, als Stabilisierungsinstrument wurde der IWF (Internationaler Währungsfonds) geschaffen, der Mitgliedsländern kurzfristige Zahlungsbilanzdefizite überwinden helfen sollte. Fernziel war eine freie Währungskonvertibilität.
Das System funktionierte so einigermaßen erst 1958, dazwischen lagen die Marshallplanhilfe der USA über 20 Mrd $ für Europa, Währungsreformen (Deutschland 1948, Frankreich 1958) und diverse Abwertungen europäischer Länder, bis in etwa deren Handels- und Zahlungsbilanzen ausgeglichen waren.
In den sechziger und siebziger Jahren kehrte sich der Trend zwischen Europa ("Wirtschaftswunder") und USA (Ausgaben des Vietnamkrieges) um, und u.a. Yen und Mark werteten auf. Die Zusammenarbeit der Zentralbanken und Regierungen zur Stützung der jeweils betroffenen Währung ließ nach, damit war das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse nach ca. 20 Jahren am Ende.

Die Staaten der (westlichen) Welt waren bei nachlassendem Druck des Kalten Krieges nicht mehr bereit, die unterschiedlichen nationalen Leistungsfähigkeiten durch dauerhafte Transferzahlungen (Stützungskäufe) auszugleichen, um eine Weltwährungsunion aufrechtzuerhalten.

Die 1956 gegründete EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) hatte 1972 aus Europa-regionalem Interesse einen Wechselkursverbund eingeführt, die sogenannte "Schlange im Tunnel". Der "Tunnel" war die Schwankungsbreite der EWG-Währungen zum Dollar, die "Schlange" dieser Währungen durfte sich gegeneinander um maximal 2,25% bewegen. Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems wurde das Blockfloating gegenüber dem Dollar freigegeben, d. h. der Tunnel war am Ende.
Die Ölkrisen ab 1973, mit einer weltweiten Rezession, führten zur Stagflation (hohe Arbeitslosigkeit, Stagnation, trotz billigen Geldes, Inflation).

Bei den dominierenden angelsächsischen Ländern geriet das Gedankengut von Keynes (staatliche Eingriffe zur Wirtschaftssteuerung) in Mißkredit und das von Friedman (Ideal des freien Marktes und reine Geldmengensteuerung) wurde führend.

Um den europäischen Wirtschaftsraum zu stärken, gründeten acht EWG-Staaten 1979 das EWS (europäisches Währungssystem). Der ECU (European Currency Unit,Währungsrecheneinheit) wurde geschaffen, Regeln für die Wechselkurse und ein europäischer Währungsfonds. 1991 wurde der Maastrichter Vertrag geschlossen, auf dem Konvergenzkriterien für eine künftige gemeinsame Währung festgelegt wurden: Inflationsraten in einem Band von maximal 1,5% über den besten drei Ländern, Geldmarktzinsen maximal 2% über den niedrigsten Drei, Staatsverschuldung kleiner als 60% des BIP (Bruttoinlandsprodukt) und jährliche Neuverschuldung kleiner als 3%.
Eine Liberalisierung der Güter- und Dienstleistungsmärkte erzeugte einen Anpassungsdruck.

Die Konvergenzbemühungen verliefen wechselhaft, aber erfolgreich, in einer Phase prosperierender Wirtschaft sowie der motivierten Konsolidierungsbemühungen der nationalen Haushalte.

1999 wurde der Euro aus der Taufe gehoben. Einige Länder, wie z. B. Italien und Griechenland, wurden in der Euphorie der Gründungsstimmung "großzügig" aufgenommen.

Mit dem Euro entstand ein stabiler, von Währungsturbulenzen freier Wirtschaftsraum zum Nutzen der Region. 27% der Welt-Währungsreserven bestanden 2007 aus dem Euro. Im Maastricht-Vertrag waren allerdings eine Unterstützung der Mitglieder untereinander nicht vorgesehen, d. h. er baute auf die Selbstdisiplin der einzelnen Länder. Würde dies in rauheren Zeiten funktionieren?


Mai 2010

Quellenangabe: Viele Informationen sind entnommen aus:
Michael North, "Kleine Geschichte des Geldes - Vom Mittelalter bis heute", 2009

siehe auch Buchtipps

Ein Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit von Daten und Interpretationen wird nicht erhoben.





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