_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) - Weltklimarat: 6. Sachstandsbericht

 

Physikalische Prognosen

November 2021

 
 
    Änderung des Jahrestemperaturmittels bei 4oC Erwärmung
 
im Vergleich zu 1850-1900
 Quelle: IPCC 2021 (2)

Die Karte rechts zeigt die regionale Erhöhung der Durchschnittstemperatur bei einer Temperatursteigerung um global 4oC. Man erkennt, das die polnahen Regionen, vor allem auf der Nordhalbkugel, überdurchschnittlich betroffen sind mit Steigerungen von bis zu über 7oC. Sodann sind die Landmassen typischerweise wärmer als die Meere.

Welche direkten physikalischen Folgen hat diese Erwärmung? Diese lassen sich zweckmäßigerweise in Kategorien einteilen:

1. Schnee- und Eisbilanz
Bei 4oC Temperaturerhöhung bis 2100 verlieren Gletscher (ohne Antarktis/Grönland) 58 000 Gt (3) oder 36% ihrer Masse im Jahr 2000 (4). Es gilt Antarktis > Grönland > Gletscher in Bezug auf die Schmelzwasseranteile.
Die Alpengletscher verlieren rund 90% (5).
Die Schneebedeckung im Frühjahr geht um 8%/oC Temperatursteigerung zurück (4).

2. Permafrost
Durch das Auftauen des Permafrosts werden 66 Gt CO2/oC freigesetzt (6) (dies stellt eine Rückkopplung dar, da das freigesetzte CO2 die Atmosphäre wiederum stärker aufheizt, und ist in den Langzeitszenarien berücksichtigt, siehe Die Rechnung von hinten). Eine andere Angabe lautet, dass von den oberen drei Metern 25%/oC auftauen (4).
Zum Größenvergleich, die erstgenannte Zahl entspricht dem eineinhalbfachen des heutigen anthropogenen jährlichen CO2-Ausstoßes, die also bei jedem weiteren Grad Temperaturerhöhung unvermeidlich dazukommen.
Bei komplettem Auftauen würden 880 Gt CO2 freigesetzt (das 22-fache der aktuellen jährlichen menschlichen CO2-Produktion), sowie ein erheblich kleinerer Summand an Methan (CH4).
Kommentar: Dies entspräche knapp einem halben Grad zusätzlicher Temperaturerhöhung. 

3. Meeresspiegel
Die Erhöhung des Meeresspiegels wird durch das Schmelzwasser sowie durch die thermische Ausdehnung des Meerwassers bewirkt. Heute ist letzteres der größte Einzelsummand, bei plus 4oC wird die Antarktis bei weitem den größten Anteil liefern (4).
Unter dem "braunen" Szenario (1,9% jährliches Wachstum des CO2-Ausstoßes, plus 4,4oC bis 2100, siehe Emissionsszenarien) werden bis 2100 0,82 m Erhöhung prognostiziert (2).
Bei dauerhaften und konstanten vier Grad Erhöhung sind es in 2000 Jahren allerdings 14 m, in 10 000 Jahren 26 m (7).
Paläodaten legen ähnliche Zahlen nahe: Eine Steigerung bei einer Fünf-Grad-Klimaänderung hatte den Daten nach innerhalb von 2000 Jahren den Meeresspiegel um 20 m, nach 10 000 Jahren um 30-40 m gehoben (4).

4. Zusammensetzung des Meerwassers

a) Durch den Eintrag von CO2, das chemisch eine schwache Säure ist, wird der pH-Wert (Potenzia Hydrogenii, ein Maß für den Säure- oder Basengehalt des Wassers) von vorindustriell 8,13 über den heutigen Wert von 8,05 im Jahr 2100 auf 7,66 fallen (2). Dies behindert die biologische Bildung von Kalkskeletten, wie sie Korallen, Muscheln und viele Einzeller benötigen.
b) Durch die oberflächliche Meereserwärmung verringert sich die Konvektion, d. h. der Austausch mit Tiefenwasser. Dies führt zu geringerem Sauerstoffgehalt des Tiefenwassers, da weniger Nachschub von oben kommt.
Seit 1950 ist der durchschnittliche Sauerstoffgehalt der Weltmeere um 2% gesunken, und die Zahl der eutrophierten (überdüngten) Küstengebiete mit daraus resultierendem Sauerstoffmangel hat sich mehr als verzehnfacht auf über 700 Gebiete (9). Details dazu siehe Sauerstoffmangel.



   
  C0 SPM22 Nd-Entwicklung Karte Index  
               Änderung der jährlichen Niederschlagsmenge
                                      bei 4oC Erwärmung
 im Vergleich zu 1850-1900 (in %)
 Quelle: IPCC 2021 (2)
          Änderung der Bodenfeuchtigkeit (Jahresdurchschnitt)
                                      bei 4oC Erwärmung

im Vergleich zu 1850-1900
in Standardabweichungen; die Änderung um eine Standardabweichung von 1,0 bedeutet, dass bisherige Sechs-Jahres-Trockenheitsereignisse dann jedes Jahr auftreten

Quelle: IPCC 2021 (2)

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5. Niederschlag

Wegen der erhöhten Verdunstung wird der Regen global um 2-3%/oC zunehmen (10). Allerdings wird sich die Niederschlagsänderung regional sehr ungleichmäßig verteilen, wie die linke der beiden Karten zeigt. Im "braunen" Szenario wird sich bis 2100 der Niederschlag etwa auf der außertropischen Nordhalbkugel um 12% erhöhen, während er im nördlichen Subtropenbereich des Atlantiks um 10% abnimmt (8). Regionale Veränderungen der jährlichen Niederschlagsmenge um plus oder minus 20-40% sind keine Seltenheit.
In den meisten, aber nicht allen, Monsungebieten steigt der Niederschlag. Dort nimmt auch der Unterschied zwischen trockenstem und feuchtestem Monat zu, um rund 3-5%/oC (10).

6. Verdunstung, Wasserknappheit

Die Situation der Änderung der Bodenfeuchte ebenfalls für das "braune" Szenario im Jahr 2100 zeigt die rechte Karte. Die Bodenfeuchtigkeit resultiert aus dem Zusammenspiel von Niederschlag und Verdunstung. Letztere nimmt generell durch die Temperaturerhöhung zu, so dass Niederschlagsmangel verstärkt wird.
Häufig gilt, dass Gebiete mit hohem Niederschlag feuchter werden, die mit wenig Niederschlag noch trockener.
Dürren werden zunehmen etwa in der Mittelmeerregion, im Südwesten Nordamerikas, in Südafrika, im Südwesten Südamerikas und im Südwesten von Australien (10).
Heute haben rund 4 Mrd. Menschen, also die Hälfte der Weltbevölkerung, mindestens einen Monat lang Wasserknappheit, davon 0,5 Mrd. Menschen ganzjährig (10).

7. Kipp-Punkte

Damit sind Ereignisse gemeint, die nicht mehr oder weniger proportional zur Temperaturerhöhung laufen, sondern unumkehrbar sind, sobald eine gewisse Schwelle überschritten wurde.
Genannt werden der Kollaps des antarktischen Eisschildes, das Zusammenbrechen des Golfstroms oder die Austrocknung und das folgende Absterben von Regenwaldregionen.
Beim heutigen Stand der Wissenschaft sind hierzu keine quantitativen Abschätzungen möglich - außer der Aussage, dass deren Wahrscheinlichkeit mit der Temperaturerhöhung zunimmt (2).  




Quellenangaben
(1) Sixth Assessment Report of the IPCC, "Climate Change 2021 - the Physical Science Basis", Working Group I, 2021
(2) wie (1), dort: "Summary for Policymakers"
(3) Die Zahlen auf dieser Seite sind im Originalbericht meist mit Fehlerbalken angegeben; diese sind hier der einfacheren Lesbarkeit halber weggelassen. Sofern im Original kein "bester Wert" genannt ist, wurde der Mittelwert verwendet.
(4) wie (1), dort Chapter 9 "Ocean, cryosphere and sea level change"
(5) wie (1), dort Chapter 12 "Climate change information for regional impact and for risk assessment"
(6) wie (1), dort Chapter 5 "Global Carbon and other Biogeochemical Cycles and Feedbacks"
(7) wie (1), dort "Technical Summary"
(8) Wie (1), dort Chapter 4 "Future global climate: scenario-based projections and near-term information" 
(9) D. Laffoley, J. M. Baxter, (eds.), "Ocean deoxygenation: Everyone’s problem - Causes, impacts, consequences and solutions", IUCN, Gland / Schweiz, 2019 (full report)
(10) wie (1), dort Chapter 8 "Water cycle changes"