Robinia pseudoacacia: Eine invasive Art für Europa
Die Robinie im Spannungsfeld zwischen Nutzbaum und Naturschutz
Die Robinie (Robinia pseudoacacia), auch Scheinakazie genannt, ist ein Laubbaum, der 20-30 m Höhe erreichen und über 200 Jahre alt werden kann.
Zur Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae oder Leguminosae) gehörend, bildet sie eine Symbiose mit stickstoffbindenden Bakterien, die Luftstickstoff (N2) zu Ammonium ((NH4)+) reduzieren und damit verfügbar machen.
Die Robinie war vor der letzten Eiszeit (also vor ca. 100 000 Jahren) in Europa heimisch (1), hielt dem kalten Klima jedoch nicht stand und wurde erst um 1670 in Deutschland durch Gartenbau und Forstwirtschaft aus Nordamerika wiedereingeführt (2), wo sie heute im mittleren Osten der USA natürlich vorkommt.
Nach gängiger Definition - Einführung nach "Kolumbus", also nach 1492 - gilt sie daher als Neophyt (griechisch: "Neue Pflanze").
Exkurs invasive Pflanzen (2)
In Deutschland gibt es etwa 3200 einheimische Gefäßpflanzen (3). Dazu kommen über 200 alteingebürgerte (vor 1492), sowie über 400 etablierte Neophyten und etwa 2000 nicht etablierte Neophyten.
Als invasiv werden Neophyten bewertet, wenn sie heimische Arten oder Lebensräume bedrohen.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN, (2)) bewertet 38 Arten als invasiv, weitere 42 als potenziell invasiv.
Davon wird für 10 Arten, die sich noch nicht weit ausgebreitet haben, die Ausrottung empfohlen, für die restlichen 28 Arten, die bereits großräumig verbreitet sind, wird "Management" vorgeschlagen, d. h. lokaler Schutz ausgewählter Biotope.
95 % der invasiven Arten wurden übrigens absichtlich eingeführt, etwa durch Gartenbau, Forstwirtschaft und botanische Gärten.
Die Gefährdung der einheimischen Biodiversität erfolgt meist durch interspezifische Konkurrenz oder durch Veränderung des Ökosystems, seltener durch Hybridisierung oder Übertragung von Krankheiten.
Bewertung der Robinie als invasiv (2)
Die Robinie verdrängt in sonnigen Trocken- und Magerrasen gefährdete Arten ("interspezifische Konkurrenz") und reichert als Leguminose den Boden mit Stickstoff an, wodurch magere Standorte verändert und zerstört werden ("Veränderung des Ökosystems"). Deshalb ist sie als invasiv eingestuft.
Da sie weit verbreitet ist, wird sie auf der "Management-Liste" geführt.
Expansiv ist sie vor allem in sommerwarmen Gebieten, verstärkt durch den Klimawandel.
Ausbreitung (4)
Die Samen der Robinie sind schwer und verbreiten sich daher nur in der Nähe. Sie sind mehrere Jahre lebensfähig, benötigen jedoch viel Sonne zum Keimen und können so nicht in schattige Bereiche vordringen.
Der zweite Verbreitungsweg sind Wurzelausläufer, mit denen sie z. B. auch in geschlossene Magerrasenflächen eindringen kann. Eine Schädigung des Baumes (Brand, Fällung) verursacht ein starkes Wurzelwachstum mit Neuaustrieben.
Der dritte Ausbreitungsweg ist die absichtliche Pflanzung.
Maßnahmen zur Bekämpfung (2)
Die Bekämpfung ist schwierig. Bei Rodung mit Wurzelstockentfernung und bei der sogenannten Ringelung (ein- bis zweijähriges Entfernen eines fast ringsum laufenden Rindenstreifens zur Schwächung des Baumes) mit oder ohne nachfolgender Fällung sind mehrjährige Nacharbeiten erforderlich.
In den USA wurde nach einer Spritzung mit Glyphosat ebenfalls noch Jahre später Stockaustrieb beobachtet.
Eine lokale völlige Entfernung gelingt also nur dann, wenn für eine mehrjährige Nachbehandlung der Wille und auch die finanziellen Mittel vorhanden sind.
Anbau
Weltweit wurden 1986 32 000 km2 angebaut (5), heute (2013) liegen in Europa die Schwerpunkte bei Ungarn (4400 km2), Rumänien (2500 km2) und Bulgarien (1100 km2). In Deutschland beträgt die Anbaufläche 140 km2 (14 000 Hektar), davon der größte Teil in Brandenburg. Es werden je nach Standort 3-12 t/ha*a Trockenbiomasse gewonnen (6).
Verwendung des Robinienholzes
- Als schnellwachsendes Energieholz
- Wegen seiner Festigkeit und Resistenz gegen Fäule und Pilzbefall für Schiffs- und Möbelbau (z. B. Gartenmöbel, Terrassendielen), Schwellen, Zäune und erdberührende Stangen in der Landwirtschaft/Weinbau, Lawinenverbauungen
Pfahlholz macht etwa 70 % des europäischen Marktes aus (7) - Alternative zu Tropenhölzern
Landschaftsbefestigung (5)
Da die Robinie anspruchslos an den Boden ist und ein dichtes Wurzelwerk ausbildet, wird sie zur Befestigung von Halden und Dämmen eingesetzt.
Stadtbaum (5)
Die Robinie ist trockenheitsresistent und tolerant gegen Salz (Streusalz), Ruß, Staub und Luftverschmutzung.
Deshalb findet sie Verwendung als Stadtbaum.
Bienentracht
Die Robinie erzeugt pro Blüte relativ viel Nektar (0,2-2,3 mg/Tag), woraus pro Saison und Baum ein Honigertrag von rund einem Kilogramm zu gewinnen ist (8). Für den Hektar werden Erträge um 200 kg/a angegeben. Die Exportmenge beispielsweise Ungarns an Robinienhonig, dem sogenannten "Akazienhonig". liegt im Bereich von 5000 t/a (9) - zum Zahlenvergleich: Der Honigverbrauch in Deutschland beträgt grob 100 000 t/a.
Beispiele für Verbreitungsverhalten
Die Fotoserie "Mannheim" zeigt einen ungestörten Alt-Robinienwald mit geringer Ausbreitungstendenz sowie das Verhalten des Wurzelaustriebes nach Fällungen. Alle Beispiele sind auf nährstoffreichem Boden.
Im Gegensatz dazu zeigt die Fotoserie "Sandhausener Dünen" das invasive Verhalten der Robinie auf sonnigem und mageren Sanduntergrund.
Fazit
Die Robinie ist je nach dem gewählten Kriterium ein "Schädling" oder ein "Nützling".
Schädlich aus naturschutzfachlicher Sicht ist die Verdrängung von Arten und die Veränderung von Ökosystemen bei sonnigen Trocken- und Magerbiotopen. Das Bundesamt für Naturschutz empfiehlt genau deshalb ein "Management", d. h. eine Zurückdrängung in lokal ausgewählten Gebieten.
In vielen anderen Fällen ist eine Anpflanzung und der Erhalt in wirtschaftlicher Hinsicht, für die Gesellschaft und auch für die Ökosysteme sinnvoll oder neutral zu sehen.
Quellenangaben und Erläuterungen
(1) Büro für Garten- und Landschaftsplanung "Frischer Windt"
(2) Bundesamt für Naturschutz (BfN), Skripten, Nr. 352, "Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen" (2013)
(3) Zu den Gefäßpflanzen gehören Bärlapp, Farne und Samenpflanzen; letztere unterteilen sich in Nacktsamer (Palmfarne, Gingko, Koniferen) und Bedecktsamer (Blütenpflanzen).
Die große Mehrzahl der Gefäßpflanzen sind Blütenpflanzen.
(4) Bundesamt für Naturschutz (BfN), Handbuch Neobiota, dort: Robinia pseudoacacia
(5) Wikipedia
(6) Th. Guse, V. Schneck et al., "Untersuchungen der Ertragsleistung und -stabilität bei Robinien-Jungpflanzen verschiedener Herkunft auf einem Standort im Land Brandenburg", Thänen-Institut für Forstgenetik, Waldsieversdorf/Großhansdorf (2015)
(7) robinia invest, "Die Robinie und ihr Holz", abgerufen 24.9.15
(8) Wikipedia; dort: J. Lipp et al., "Handbuch der Bienenkunde - Der Honig" (Stuttgart: Ulmer, 1994, 3. Aufl.), S. 38
(9) robinia fonds abgerufen 24.9.15