_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Geologischer und ökologischer Überblick über die pazifischen Inseln

 

Vor dem Menschen - seit dem Menschen

Im Folgenden sollen die geographischen und ökologischen Randbedingungen beschrieben werden, die die Menschen auf den pazifischen Inseln vorfanden, sowie typische Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur nach dem Kontakt.

 
                                                              Tektonische Karte des Pazifischen Beckens
                       Fettgedruckte Linien zeigen die Haupt-Plattengrenzen, Pfeile zeigen die Bewegungsrichtung der Platten
weitere Erläuterungen s. Text
Quelle: Kirch 2000 (nach D. Oliver 1989) (1)
farbige Ergänzungen durch G. Mair
   

1. Inseltypen (1)

Als mögliches Habitat für den Menschen unterscheiden sich die pazifischen Inseln durch Erreichbarkeit, Größe, Boden, Vorkommen nutzbarer Steine und Mineralien, Niederschlagsmenge und -saisonalität, Süßwasserverfügbarkeit, Riffe und Atolle, sowie ess- und nutzbare einheimische Pflanzen und Tiere.  

Es werden drei Entstehungstypen unterschieden:

a) Alte Schollen, d. h. Bruchstücke einer alten Kontinentalplatte. Darunter fallen Neuguinea und Neu Kaledonien (braune Pfeile auf der obenstehenden Graphik)
b) Durch Plattenrand-Vulkanismus entstandene Inseln: Wenn sich die pazifische Platte im Westen etwa unter die indische Platte schiebt, wird das Gestein der ersteren aufgeschmolzen und kann Vulkanismus erzeugen. Unter diesen Typ fallen z. B. die Solomon-Inseln, Vanuatu, Tonga und auch Neuseeland (rote Pfeile).
c) "Hotspot"-Inseln: Im Erdmantel sind stationäre heiße Zonen vorhanden, die sich durch die sich durch die Lithosphäre - die oben schwimmenden Kontinentalplatten - "hindurchschweißen" und so zu Vulkanismus führen können. Wenn sich die pazifische Platte über den Hotspot hinwegbewegt, können Inselketten entstehen. Ein bekanntes Beispiel ist die Hawai'i-Gruppe, mit einer Kettenlänge von über 3000 km, und einem Altersunterschied von etwa 8-15 Mio. Jahren zwischen jüngster Insel (aktiver Vulkan) und ältester Insel (im Verschwinden begriffen durch Erosion und/oder Abtauchbewegung mit der Platte). Weitere Beispiele sind die Marquesas und die Gesellschaftsinseln (gelbe Ovale). Dieser Inseltyp besteht meist hauptsächlich aus Basalt, einem harten Vulkangestein, dass für die Werkzeugherstellung genutzt werden kann.

Eine andere Unterscheidung bezieht sich auf den Werdegang:
d) "Hohe Inseln": Damit sind junge Hotspot-Inseln gemeint.
e) Atolle: Wenn eine Insel im Lauf der Jahrmillionen versinkt, bilden sich Korallenriffe, von denen sich ein Teil durch Materialtransport wenige Meter über dem Meeresspiegel halten kann. Niederschläge sammeln sich manchmal in auf dem salzigen Grundwasser liegenden Süßwasserlinsen.
f) Makatea-Inseln (polynesisch: "Weißer Stein"): Werden Korallenriffe durch plattentektonische Bewegungen wieder angehoben, so entsteht eine ausschließlich aus Kalkstein bestehende Insel. Dieser Inseltyp hat kaum Süßwasser (da das Regenwasser in den Klüften des Kalksteins sofort versickert), meist schlechte Böden und keine für die Werkzeugherstellung geeignete Gesteine. Ein Beispiel ist Henderson (ca. 2000 km westlich der Osterinsel, s. Karte).  



2. Winde

Die Windsituation des tropischen Pazifik wird durch die sogenannte "Innertropische Konvergenzzone" (ITCZ) geprägt, eine äquatornah um die Erde laufende Tiefdruckrinne, die sich dort befindet, wo die Sonne die Luft am stärksten erwärmt. Die ITCZ folgt dem jahreszeitlichen Sonnenstand und ihre heiße, aufsteigende Luft saugt oberflächennahe kühlere Luft von Norden und Süden an. Gegenüber der sich am Äquator linear am schnellsten nach Osten drehenden Erde werden diese Luftströme scheinbar nach "hinten", d. h. nach Westen, abgelenkt (Corioliskraft). Daraus resultiert der Südostpassat auf der Südhalbkugel, und der Nordostpassat auf der Nordhalbkugel.

 
                                 Jahreszeitliche Hauptwindrichtungen im Pazifik
                       links: Südsommer                                                       rechts: Südwinter
weitere Erläuterungen s. Text
Quelle: Eigene Darstellung
   

Nun ist es allerdings nicht so, dass im tropischen Pazifik immer östliche Winde herrschen. Das Wandern der IZCZ mit dem Sonnenstand bewirkt jahreszeitliche Änderungen, was rechts grob vereinfacht dargestellt ist.
Linke Seite: Südsommer (Januar), die Sonne steht über dem südlichen Wendekreis (gelbe Linie), die ITCZ (nicht dargestellt) liegt knapp nördlich davon. Der Nordostpassat wechselt wegen Überschreiten des Äquators seine Drehrichtung und wird zum Nordwestmonsun.
Rechte Seite: Südwinter (Juli), die Sonne steht über dem nördlichen Wendekreis, die ITZC liegt etwa 10 Grad südlicher. Der Südostpassat wird bei Überschreiten des Äquators zum Südwestmonsun, und, für Polynesien wesentlicher, der Raum jenseits etwa des 25. südlichen Breitengrades gerät in den Einfluss der Westwindzone der gemäßigten Breiten.

Das schwarze Dreieck stellt die Grenzen Polynesiens dar, aufgespannt von Hawai'i (Norden), Osterinsel (Osten) und Neuseeland.

Daraus folgt, dass die zumeist aus westlicher Richtung kommenden Siedler (s. Besiedelungsgeschichte) bei der Suche nach neuen Inseln zwar im wesentlichen gegen den Passat segeln mußten, abhängig von der Jahreszeit aber auch mit westlichen Winden rechnen konnten. Theoretisch waren auf manchen Routen also Vorwindkurse in beiden Richtungen möglich. 


3. Biodiversität (1)

Vulkanisch neu entstandene Inseln weisen bereits nach wenigen hunderttausend Jahren Erde (mit Hilfe von Mikroorganismen erzeugt), Pflanzen inklusive Bäumen, wirbellose Tiere und fliegende Wirbeltiere (Vögel und Fledermäuse) auf.

Da die Abstände der Inseln vom Festland und untereinander von West nach Ost zunehmen, kommen die meisten Spezies aus Asien. Aus dem gleichen Grund nimmt die Biodiversität der eingewanderten Flora und Fauna nach Osten hin ab. Die transportbedingte Auswahl führt auf jeder Insel zu einer "Disharmonie" - Nahrung, Konkurrenten und Prädatoren sind nicht die gewohnten. Dies wiederum führt zur adaptiven Radiation (verstärkter Bildung neuer Spezies; ein bekanntes Beispiel sind die von Charles Darwin untersuchten Galapagosfinken), zu einem hohen Endemismusgrad, aber auch zu Ökosystemen, die instabil sind gegen äußere Einflüsse, Einflüsse, gegen die sie nie konkurrieren mussten (sog. "Inseleffekt"). Für die Störungsanfälligkeit ist die Evolution großer flugunfähiger Vögel (Moas in Neuseeland, Elefantenvögel in Madagaskar) ein Beispiel, die nur erfolgreich waren ohne Prädatoren. Nach Ankunft des Menschen überlebten sie nicht lange.
Als Beispiel der lokalen Evolution auf einer großen Insel siehe Biodiversitäts-Hotspot Madagaskar.     

Säugetiere kamen vor Ankunft des Menschen nur auf den westlichen Inseln vor, nämlich Beuteltiere und Ratten (die wiederum vom in der Einleitung bereits genannten Sahul, der gemeinsamen Landmasse von Australien und Neuguinea in den letzten Eiszeiten, stammten).
Auch für bodenbewohnende Küstenfische nimmt die Biodiversität nach Osten hin ab. So wurden im Bismarck-Archipel (nördlich von Neuguinea, s. Karte ganz oben) mehrere Tausend Fischarten nachgewiesen, auf der Osterinsel, ganz im Osten, nur 126 Arten.
Ein für die Besiedelungsgeschichte wahrscheinlich sehr relevantes Beispiel der "Transportauswahl" von West nach Ost stellen die Fiebermücken (Anopheles sp.) dar. Die für die Übertragung der verschiedenen Malariaarten verantwortlichen Spezies kommen heute nur im Westen vor, von Neuguinea bis Solomon und Vanuatu (fünf Arten). Man vermutet, dass dies schon immer so war und dass dieser Faktor - und evtl. auch weitere Krankheiten - die Vermehrungsrate menschlicher Populationen begrenzte, weshalb auf weiter östlich liegenden Inseln "Bevölkerungsexplosionen" stattfinden konnten, mit allen Konsequenzen bezüglich z. B.  Ressourcenmangel und Auswanderungsdruck.  

4. Veränderungen durch den Menschen (1)


Auf vielen Inseln lassen sich vergleichbare Phänomene nachweisen:

  • Auf den artenärmsten Inseln waren an essbaren Landtieren keine, an essbaren Pflanzen oft nur Pandanus- und Kokosnussarten vorhanden.
    Der Mensch brachte, je weiter im Osten und je prekärer das Inselhabitat (Korallenriff, Makatea-Insel) desto notwendiger für sein Überleben, deshalb eigene Nutzpflanzen und -tiere mit (wie Taro, Yams, Süßkartoffel, sowie pazifische Ratte (rattus exulans, als Nahrungsmittel), Hühner und Schweine.
    Die Ratte vermehrte sich ohne natürliche Feinde übermäßig und reduzierte die Zahl der bodenbrütenden Vögel durch Fressen ihrer Gelege. Für das Beispiel der Osterinsel wird angenommen, dass sie zur Ausrottung der endemischen Palmenwälder beigetragen hat, durch Fressen der Früchte. Alle  Palmennüsse, die man bei Ausgrabungen fand, waren aufgeknabbert (2).
  • Essbare Vögel waren oft nach kurzer Zeit verdrängt oder ihre Spezies lokal ausgerottet. Dafür wurden viele Beispiele nachgewiesen, wie die Osterinsel (25 Seevögel und ca. 6 Landvögel vor dem Menschen, 1 Seevogel heute), Mangaia (s. Karte ganz oben; 12 See- und 19 Landvögel vorher, 6 See- und 5 Landvögel nachher) oder Neuseeland (Ausrottung von 37 Spezies, darunter die bekannten Moas, flugunfähige Vögel mit bis zu 4 m Höhe; s. auch Artensterben - Geschichte und Trend).
  • Datierte Pollenanalysen von vielen Inseln (wie Neuguinea, Vanuatu, Neukaledonien, Fiji, Cook-Inseln, Gesellschaftsinseln, Hawai'i, Osterinsel, Neuseeland) zeigen den Rückgang von Wald und die Zunahme von feuerresistentem Farn oder Gras und manchmal von Pandanusgestrüpp. Beispielsweise fiel auf Mangaia (Cook-Inseln) im Zeitraum 300-500 u. Z. der Baum-Pollenanteil von 80 % auf 30 %, während Farne von 10 % auf 60 % und Gräser von 5 % auf 10 % stiegen. Auf der Osterinsel wurde eine endemische Riesenpalme ausgerottet, heute ist die Insel baumlos (bis auf moderne Nachpflanzungen).
  • In einigen Fällen konnte eine Erhöhung der Erosionsgeschwindigkeit gemessen werden, z. B. durch die datierte Ablagerungshöhe in Flussebenen. Die eventuelle Trübung des Meerwassers mag eine nachteilige Rolle für die Entwicklung von marinen Weichtieren gespielt haben, die teilweise als Nahrung dienten.

Regelmäßig wurde Landschafts- und Ökosystem-Kapital verbraucht. Jedoch darf trivialerweise unterstellt werden, dass dies nicht mit planender Absicht geschah.
P. Kirch formuliert das so (1): "Die pazifischen Inselbewohner bemühten sich - innerhalb der ihnen zur Verfügung stehenden Neu-Steinzeit-Technologie - funktionierende Subsistenz-Wirtschaften auf ihren neu besiedelten Inseln zu schaffen und ihre Ressourcen mit Bedacht handzuhaben. Dass sie nicht immer erfolgreich waren, ist eine Lektion, die die heutige Menschheit noch zu verstehen und zu beherzigen hat."






Quellenangaben
(1) P. Kirch, "On the Road of the Winds - An Archaeological History of the Pacific Islands before European Contact" (Berkeley: University of California Press, 2000)
(2) J. Flenley, P. Bahn, "The Enigmas of Easter Island" (Oxford: Oxford University Press, 2002)