_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Problemlösung zwischen Wissenschaft, Industrie, Öffentlichkeit und Politik

 

Politischer Problemlösungsprozess zur Eindämmung des Ozonabbaus

 

Der Beginn der "Ozonloch-Story" liegt in den siebziger und achtziger Jahren.
Wo befand sich die Welt politisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich in dieser Zeit?

  • Die großen Mächte sind die USA und die Sowjetunion. Einzelne europäische Länder und Japan haben ihre Position, China, Indien und Südamerika werden als Entwicklungsregionen gesehen.

  • der Kalte Krieg nähert sich seinem Ende, zwischen den beiden Großmächten wird das SALT-Abkommen zur Begrenzung der strategischen Rüstung geschlossen, später die Reduzierung der Atomsprengköpfe um 50%. Gegen Ende dieser zwei Jahrzehnte reformiert Gorbatschow die UdSSR ("Perestroika"). 

  • Der Fortschrittsglaube drückt sich in aufwendigen Weltraumprogrammen aus, so unternehmen beide Großmächte regelmäßig bemannte Raumflüge, es erfolgt eine weiche Landung auf dem Mars, Raketen werden zu den entfernteren Planeten wie Venus und Neptun geschickt, das Space Shuttle wird entwickelt.

  • Der Taschenrechner und der PC werden erfunden, die Informationstechnologie beginnt ihren rasanten Aufstieg. Die Gentechnologie wird möglich, die ersten Mäuse werden geklont. 

  • Gleichzeitig werden Probleme des Fortschritts und der Zivilisation wahrgenommen. In Seveso werden durch eine Explosion hochgiftige Dioxine freigesetzt, die die Umgebung nachhaltig verseuchen. Im Atomreaktor in Harrisburg findet eine Teilreaktorschmelze statt. AIDS tritt gehäuft in den USA auf und wird als Seuche identifiziert. Die EU führt den Automobil-Katalysator ein. Die Kernschmelze in Tschernobyl führt zu Austritt von Radioaktivität, der sich bis in weite Teile Westeuropas erstreckt. Der Öltanker Exxon Valdez läuft vor Alaska vor Grund, und verseucht mit über 40 000 t Öl ca. 1100 km Küste.


Die wissenschaftlichen Untersuchungen von Rowland und Molina 1974, die den Abbau von Ozon durch FCKW beschreiben, fällt in der Öffentlichkeit wohl auf fruchtbaren Boden, da anlässlich der Entwicklung des Überschallfluges (die Concorde startet 1976 das erste Mal) die allgemeine Diskussion über die mögliche Schädigung der Stratosphäre durch den Menschen kontrovers geführt wird.
Die Produktion von FCKW liegt im Wesentlichen in der Hand weniger Firmen aus USA, Europa und Japan. Dupont z. B. startet bereits im selben Jahr (1974!) ein Entwicklungsprogramm für Ersatzstoffe. Wenige Jahre später werden in USA, im Alleingang, FCKW als Treibgas verboten.
                Kommentar des Autors: In diesem Fall ging der Weltmarktführer in Verbrauch und wohl auch in Produktion von FCKW unilateral voran bei der Problemlösung; man vergegenwärtige sich, dass das Ozonloch noch nicht entdeckt war!

Diese Entdeckung geschah erst wiederum ca. 5 Jahre später (1985), und dann ging alles sehr schnell. Nach protokollarischen Vorbereitungen im selben Jahr (Wiener Konvention) folgte 1987 das Montreal-Protokoll, das die Halbierung der FCKW-Produktion durch die Industrieländer innerhalb von 10 Jahren vorsah. Die wichtigen Produzenten ratifizierten umgehend.

 

Der Lernprozess ging jedoch weiter. Die Messmethoden für Ozon sowie Chlor- und Bromverbindungen in der Stratosphäre wurden verfeinert, die Modellrechnungen ebenso, und laufend wurde klar, dass die Maßnahmen nicht ausreichend waren. Die nebenstehende Graphik zeigt (ex posteriori) den Einbruch der Ozonkonzentration in mittleren Breiten, d. h. über dem von der Mehrzahl aller Menschen bewohnten Gebiet, ab dem Jahr 1992, was im nachhinein die damals getätigten Prognosen bestätigt.

Der politische Umsetzungsprozess mündete ca. alle zwei Jahre in Folgekonferenzen mit neuen "Ergänzungen", siehe auch Ozonloch
Um nur die beiden direkt nachfolgenden zu nennen, in der London-Ergänzung wurde 1990 der Produktionsstopp von FCKW bis 2000 vereinbart (Industrieländer), in der Kopenhagen-Ergänzung 1992 wurde der Zeitraum auf 1996 verkürzt, sowie bereits die Reduzierung und letztlich der Produktionsstopp von HFCKW bis 2030 beschlossen.

   


Die Graphik unten zeigt die parallel laufende Entwicklungstätigkeit der Industrie. Man erkennt den Peak der FCKW-Produktion um das Jahr 1988 (CFC, obere 5 Kurven in der Legende).
Die Ersatzstoffe der ersten Generation, HFCKW (HCFC, durchgezogene Linien ohne Punkte) sind in den achtziger Jahren bereits entwickelt und haben ihr Produktionsmaximum ca. 1998.
Die absolute Menge nimmt Anfang der neunziger Jahre deutlich ab, was auf den Einsatz chemisch völlig anderer Alternativen zurückzuführen ist, wie z. B. die altbekannten Stoffe Ammoniak und CO2. D. h. auch die Maschinenbauindustrie trägt zur Entwicklung bei.
Die ozon-unschädlichen HFKW (HFC, Kurven mit Quadraten gekennzeichnet) werden 1991 als erstes von Dupont eingeführt.
Siehe auch Dupont Refrigerants Fact Sheet 10/08

Quelle

 

Die beiden Graphiken unten zeigen die ODP-gewichtete Weltproduktion in der Zeit um das Montreal-Protokoll und in den Dekaden danach (links), sowie den Bereich um Anfang des Jahrtausends deutlicher gespreizt (rechts). Die Datenbasis der AFEAS-Studie (links) erfasst nicht alle Hersteller, d. h. die rechten Angaben sind höher und genauer.

Quelle

Umweltbundesamt abgerufen 25.4.10

Die ODP-gewichtete Weltproduktion von Ozon-gefährdenden Stoffen wurde von über 1 Mio t / Jahr innerhalb von 20 Jahren auf 5 % davon, ca. 50 Tausend t / Jahr gesenkt, obwohl die Stoffgruppe in verschiedenen Anwendungen von erheblichem technischen und kommerziellen Nutzen war.
Eine Leistung der politischen Entscheider auf globaler Ebene.

 





nächste Seite: Stand / Prognose
vorherige Seite: Chemie