_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Die Biene als kommerzielles Nutztier - Bienensterben als Indikator für die Destabilisierung eines ökologischen Systems

 

 

Bienenleben und Bienensterben - von Varroa destructor bis zum Völkerkollaps


Im Spätherbst 2006 fand ein amerikanischer Bienenhalter 368 seiner 400 Bienenkörbe leer; voller Honig, aber praktisch verlassen - und keine toten Bienen im Umkreis. Im Frühjahr des Folgejahres waren in den USA etwa ein Drittel (800 000) Bienenvölker "verschwunden". Die Aufregung war groß (eine Studie der Cornell-Universität hatte den Wert der Bienenbestäubung in USA auf 15 Mrd. US-Dollar geschätzt (2)), ein Name für das Phänomen wurde geprägt - CCD (Colony Collaps Disorder, deutsch Völkerkollaps), und die Suche nach der Ursache begann.
Heute, fünf Jahre später, ist ein eindeutiger Auslöser nicht bekannt, aber viele Zusammenhänge äußerer Einflüsse mit der Bienengesundheit sind besser verstanden.

Seit Apis mellifera, die Westliche Honigbiene, in den Dienst der modernen Landwirtschaft gestellt wurde, hatte sie schon öfters neben natürlichen Krankheitserregern absichtliche und unabsichtliche Schädigungen durch den Menschen zu ertragen.
Da sie - schon Jahrtausende als Nutztier gehalten - kommerziell bedeutsam war, und durch die technologischen Entwicklungen in Chemie, landwirtschaftlicher Technik und Biologie mit ihren immer weitreichenderen Eingriffen in die natürliche Biotopenlandschaft teilweise als alternativlos bewertet wurde (s. Wanderimkerei USA), verknüpfte sich ihr Schicksal immer enger mit den Aktionen des Menschen, nicht immer zu ihren Gunsten.

Ein Gang durch die jüngere Geschichte der Imkerei, mit einem gewissen Schwerpunkt auf den USA, soll dies zeigen.

um 1850: Der Teebaum (Melaleuca) aus Australien und der Brasilianische Pfeffer (Schinus terebinthifolius) aus Südamerika wurden als Ornamentbäume in Florida eingeführt. Um 1950 wurden Teebaumpflanzungen zur Geländetrocknung und Stabilisierung angelegt. Um 1990 waren beide Pflanzen invasiv und verdrängten die einheimische Flora der Everglades. Der Brasilianische Pfeffer hatte 3000 km2 erobert. Die Pflanzen, beide eine ergiebige "Bienenweide", kamen auf die "Invasive and Noxious Weed List" (Liste invasiver und schädlicher Pflanzen) und wurden u.a. auch mit Herbiziden wie Roundup großflächig bekämpft - dessen Wirkung auf Bienen wiederum kontrovers diskutiert wurde (s. auch weiter unten) (1).

1904 bis 1907
gingen praktisch alle Bienen auf der Isle of Wight zugrunde, die Epidemie sprang auf England über.  Die Ursache der nach der Insel benannten Krankheit ("Isle of Wight disease") wurde erst später der Tracheen-Milbe Acarapis woodi bzw. dem CPV-Virus (chronic paralysis virus), der Flugunfähigkeit verursacht, zugeordnet (2).

1940er bis 1970er Jahre: Die Landwirtschaft begann, in den USA als erstes, einen grundlegenden Wandel zu durchlaufen. Mit der Mechanisierung, der Vergrößerung der Feldflächen, der Weiterentwicklung von Zuchtverfahren, die zu Monokulturen führten, und der Erfindung und dem Einsatz von Pestiziden wurden Erträge vervielfacht, aber auch die Biodiversität bedroht. Bienen konnten mangels Nahrung nicht mehr überall ganzjährig gehalten werden, gleichzeitig fehlten lokale Wildbestäuber: Die Wanderimkerei als Bestäubungsservice begann
Anfang der 1940er wurde die Wirksamkeit von DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan, ein Molekül aus der Gruppe aromatischer Chlorkohlenwasserstoffe) als Kontaktinsektizid entdeckt. Für den Menschen scheinbar ungiftig, und erfolgreich z.B. bei der Malariabekämpfung, wurde es rasch zum global meisteingesetzten Insektizid, mit Produktionsmengen über 100 000 t/a um 1960 (Haupthersteller USA). Das Buch "Silent Spring" ("Stummer Frühling") der Biologin R. Carson 1962, in dem sie auf die Nebenwirkungen wie breite Massenvernichtung auch von Nützlingen, Resistenzbildung, hormonähnliche Wirkungen (dünne Eierschalen bei Wildvögeln, was deren Überleben bedrohte), Krebsrisiko beim Menschen (heute ist die Verbindung als "krebsverdächtig" eingestuft), Anreicherung in der Nahrungskette (durch die gute Fettlöslichkeit) bis hin zur Muttermilch hinwies und sie anprangerte, löste eine öffentliche Diskussion und folgend in den 1970er Jahren Anwendungsverbote aus. Um 2000 wurden noch ca. 10 000 t/a hergestellt, hauptsächlich in Indien und China.
1965 wurde in den USA das Insektizid Chlorpyrifos (ein Thiophosphorsäureester, der als Nervengift wirkt) eingeführt. Vor seiner Einstufung als gefährlich für die Gesundheit war es das meistgenutze Haushaltspestizid. Um 2000 sollen ca. 1000 t/a nur in den USA für u.a. Mais, Baumwolle, Zitrus, Luzerne eingesetzt worden sein (2).
   
Die Biene kam bei diesem bedenkenlosen Einsatz der neuen Insektizide nicht ungeschoren davon. So wurde um 1980 aus Süd-Sichuan (China) berichtet, dass alle Bienen praktisch ausstarben, und die Obstbäume mit der Hand bestäubt wurden (2).
Gleichzeitig waren die 70er die "goldenen Jahre" der US-amerikanischen Imkerei. Es gab 5 Mio. Bienenstöcke (doppelt soviel wie heute), genügend Futter bei noch akzeptabler Biodiversität - erst etwa im Jahrzehnt danach begann der Ertrag der Bestäubungsdienstleistung den Ertrag des Honigs zu übersteigen -, keine nennenswerten Schädlinge, und der Honigpreis war noch nicht den billigen Importen aus China oder Argentinien ausgesetzt.

Der "nennenswerte Schädling" war jedoch auf dem Anmarsch - aus Asien.

Verbreitungsgebiet der höhlenbewohnenden asiatischen Honigbienen
Quelle: B. Oldroyd, S. Wongsiri, "Asian Honey Bees", 2006
(4)
Apis dorsata Nest in Kambodscha
Quelle: B. Oldroyd, S. Wongsiri, "Asian Honey Bees", 2006
, Foto D.Jump (4)


Acht der neun bekannten Honigbienenspezies sind in Asien heimisch, darunter neben zwei offen bauenden Riesenbienen (s. rechtes Bild, Apis dorsata - Nest) und zwei offen bauenden Zwergbienen auch vier wie Apis mellifera höhlenbewohnende Arten. Die verbreitetste ist - siehe Karte oben - Apis cerana (Östliche Honigbiene), die sowohl den gemäßigten als auch den tropischen Klimazonen angepasst ist.   
In der evolutionären Entwicklung hatte sich ein Umfeld von Pathogenen und Parasiten entwickelt, darunter Viren, Bakterien, Pilze (einige Schädlinge werden weiter unten für Apis mellifera beschrieben) sowie Milben. Für Apis cerana sind allein 11 unschädliche Arten beschrieben (die sich von Abfall oder Pollen ernähren) (4), sowie zwei schädliche: Acarapis woodi (eine Milbe, die die Tracheen [Atemtrakt] befällt), und Varroa destructor.
Diese parasitiert auf der Drohnenbrut von Apis cerana. Die bereits begatteten Weibchen lassen sich mit der Brut einschließen, ernähren sich von den Körpersäften der Larve und der Puppe und legen Eier. Diese entwickeln sich innerhalb von 6-7 Tagen, die bereits adulten Tiere paaren sich noch in der geschlossenen Brutzelle, die Männchen sterben und die Weibchen, die Mutter mit in der Regel drei Töchtern, kommen mit der nach 12 Tagen entwickelten Drohne ans Tageslicht. Sie saugen auch erwachsene Bienen, bis sie sich wieder einschließen lassen. Varroa destructor lebt im Sommer 2-3 Monate, im Winter 6-8 Monate.
Die Östliche Honigbiene hatte sich in der Evolution auf diesen Parasiten eingestellt: Ammenbienen entdecken und beseitigen den (seltenen) Milbenbefall in Arbeiterzellen; die Bienen betreiben Körperpflege, d. h. sie entfernen sich gegenseitig die Milben; und in den Phasen ohne Drohnenaufzucht nimmt der Varroa-Befall aus Mangel an Vermehrungsmögichkeiten von selbst deutlich ab (4).
Parasitäre Milben sind häufig an eine Wirtsart gebunden. Molekulargenetische Daten deuten darauf hin, dass nach Einführung von Apis mellifera in Asien zwei Rassen von Varroa destructor, die sog. "japanische" und die "russische" Rasse, innerhalb der vergangenen 40-100 Jahre den Transfer von A. cerana auf A. mellifera bewerkstelligten (4). Durch den kommerziellen Transport von A. mellifera - Völkern breitete sich der Schädling unaufhaltsam aus.

1976 wurde Varroa destructor aus Asien (erster Nachweis 1953 in der Sowietunion (2)) nach Europa eingeschleppt.
1987 wurde sie in USA nachgewiesen (trotz des seit 1922 bestehenden Einfuhrverbotes), 1989 war praktisch jeder Apis mellifera - Bienenstock - mit Ausnahme des varroa-freien Australien - befallen.

Für die Westliche Honigbiene war Varroa destructor eine tödliche Bedrohung. Erstens befällt der Parasit auch in nennenswertem Maß die Arbeiterzellen (möglicherweise, weil diese größer sind als bei Apis cerana), und zweitens hat die Westliche Honigbiene keinerlei Brut- und Körperpflege-Abwehrmaßnahmen entgegenzusetzen.

Die Bekämpfung geschah und geschieht noch heute durch regelmäßiges Entfernen der Drohnenzellen, durch das Besprühen oder Einnebeln mit organischen Säuren wie Ameisensäure, Oxalsäure oder Milchsäure (Methoden, die vor allem in Europa angewendet werden), oder durch Insektizide.

1990 wurde dafür in USA das Kontaktgift Apistan eingeführt (1), mit dem Wirkstoff Fluvalinat (ein Pyrethroid; diese Stoffgruppe ist dem natürlichen Insektizid Pyrethrum nachgebildet und besteht meist aus einem Drei-, Fünf- oder Sechsringe enthaltenden Molekül, das die Eigenschaft hat, die Natriumkanäle der Nervenmembranen zu blockieren; es ist also ein Nervengift). Pyrethroide wirken gegen fast alle Insekten, also auch gegen die Biene. Die Anwendung ist eine Frage der Dosierung. Über die Langzeitwirkung sublethaler Dosen auf die Biene ist wenig bekannt.
Bald entwickelte die Varroa-Milbe Resistenzen; 1995 z. B. starben in Pennsylvania / USA von 85 000 Bienenvölkern knapp 70 %, die meisten durch Varroa (1).
Der Mensch legte nach, 1999 wurde in USA das Nervengift Coumaphos eingeführt (eine Verbindung aus der Klasse der Organophosphate; die Bienen nehmen es auf, die Milbe saugt es mit der Hämolymphe der Biene). Auch hiergegen entwickelte die Varroa-Milbe Resistenzen (1). Auch in diesem Fall wird die "Nichttoxizität für Bienen" typischerweise am Kurzzeitverhalten (z.B. LD50 = Dosis, bei der 50% der Tiere sterben) beurteilt.

Neben den infolge der Varroa-Milbe absichtlich angewandten Insektiziden sind die in der Landwirtschaft verwendeten Pestizide, denen ggf. die Biene ausgesetzt ist, zu erwähnen.
Als Beispiel sei genannt das in den 90er Jahren eingeführte Insektizid Imidacloprid (Markenname z. B. Gaucho). Es gehört zur Klasse der Neonicotinoide (diese enthalten wie Nicotin typischerweise je einen fünf- und sechsgliedrigen Stickstoff-Heterozyklus), die ebenfalls Nervengifte sind. Sie werden häufig als Saatgutbeizmittel eingesetzt; die Pflanze nimmt den Stoff auf, und beißende oder saugende Insekten werden vergiftet. Imidacloprid ist bienen- und auch vogelgiftig. Es ist aktuell wahrscheinlich das umsatzstärkste Insektizid weltweit.
Ein Bienenmassensterben im Rheintal 2008 wurde einem (verwandten) Neonicotinoid zugeschrieben, indem höchstwahrscheinlich gebeiztes Mais-Saatgut wirkstoffhaltigen Staub abgegeben habe, der dann von Bienen aufgesammelt worden sei. Die Ergebnisse sind umstritten. S. auch Julius-Kühn-Institut 2008.
Imidacloprid und verwandte Substanzen werden für eine Vielzahl von Kulturen eingesetzt, wie Raps, Sonnenblumen, Citrus, Mais, Baumwolle, Sojabohnen, Kartoffeln, u.a.
In einer amerikanischen Studie von 2008 wurden 196 Pollen- und Wachsproben auf Pestizide untersucht, und 193 davon enthielten Rückstände. Insgesamt wurden 43 verschiedene Pestizide nachgewiesen, durchschnittlich fünf je Probe. Die Mengen bewegten sich im ein- bis zweistelligen ppb-Bereich (1 ppb = 1 Millardstel) (1). Die Beurteilung dieser Befunde ist umstritten, insbesondere über Wechselwirkungen ist wenig bekannt. Die Messung von Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen ist normalerweise nicht Bestandteil von Zulassungsverfahren.  

2006/7 und nochmals 2007/8 fand in USA, wie eingangs beschrieben, ein Bienenmassensterben statt. Jeweils etwa ein Drittel aller Stöcke starben (die Verluste wurden durch Schwarmteilung im Sommer und Importe aus dem varroafreien Australien teilweise ausgeglichen). Die Bestäubungsmieten (z. B. für die Mandelbestäubung) verdreifachten sich von 50 auf 150 Dollar, die entsprechenden Lebensmittelindustrien nahmen eine Krise wahr, Forschungsprogramme wurden aufgelegt.
Da die Bienen häufig "spurlos" verschwanden, d. h. nicht im Stock oder dessen Nähe starben, wurde ein neuer Name geprägt: CCD - colony collaps disorder (Völkerkollaps).

Die Symptome:

  • Bei vollen Brut- und Honigzellen befinden sich nur noch die Königin und eine kleine Anzahl Ammenbienen im Stock. Der Stock ist leergeflogen - die toten Bienen liegen nicht in Stocknähe (sie sterben desorientiert im freien Feld).
  • Die noch vorhandenen Bienen sind mit einer erhöhten Anzahl an Schädlingen und Viren befallen. Der Bienenstock ist ansteckend, d. h. ein neu eingebrachtes Volk stirbt, wenn der Stock nicht vorher desinfiziert wurde.
  • Der befallene Stock wirkt vergrämend, d. h. fremde Bienen, die üblicherweise von schwachen Völkern stehlen, oder Wachsmotten, bleiben fern.

Der Versuch einer eindeutigen Zuordnung dieses Symptombildes zu einem einzigen chemischen Wirkstoff oder einem einzigen Virus/Schädling verlief negativ.
So wurden auf der Suche nach einer Ursache alle möglichen Schad-Faktoren zusammengetragen:

  • Der Pilz Nosema ceranae, der etwa ab 1995 von der asiatischen Honigbiene auf die westliche Honigbiene übertragen wurde, und die Eingeweide zerstört: Keine eindeutige Zuordnung.
  • Viren, wie der IAPV (Israel acute paralysis virus), der 2004 entdeckt wurde, und ähnliche Symptome auslöst (Flügelzittern, später desorientiertes Fliegen ohne Rückkehr, Tod). Der Virus wird bei Befall mit Varroa destructor verstärkt übertragen. Es wurde eine hohe, aber nicht eindeutige Korrelation gefunden (1).
  • Die jahreszeitliche Verschiebung (in USA) durch Anfüttern im Winter, danach mehrere Massentrachten (Tracht = Bienennahrung) mit langen Transporten dazwischen: Keine alleinauslösende Zuordnung, da dieses Verfahren schon Jahrzehnte vorher üblich wurde.
  • Mangelernährung im Winter durch reine Zuckerlösung (Maissirup in USA): Proteinmangel beeinträchtigt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Widerstandsfähigkeit der Bienen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Fütterungsmenge an Gelee Royale (Eiweißkonzentrat) die Lebensdauer der Bienen beeinflusst (Königin; Sommer-/Winterbienen). 2007 boomten in USA die Bienen-ProteinNahrungsergänzungsmittel (z.B. "MegaBee").
  • Die Faulbrut (genauer: Amerikanische Faulbrut), eine bakterielle Erkrankung, die die Larven tötet: Keine Korrelation. Allerdings wird diese Krankheit auch mit Antibiotika bekämpft, was auch die "guten" Darmbakterien (u.a. Lactobakterien) in Mitleidenschaft zieht, und damit voraussichtlich die Widerstandskraft der Biene schwächt (1). Die Datenlage hierzu ist mangelhaft.
  • Der kleine Beutenkäfer (Beute = Bienenstock), von afrikanischen Bienenrassen in den 1990er Jahren übertragen, ein Parasit, der Honig, Pollen und Brut frisst und damit die Völker zerstört: Keine Zuordnung.
  • Eine genetische Analyse toter Bienen (die typischerweise stark mit Pilzen, Bakterien und Viren befallen sind) schloss das Vorhandensein eines neuen Erregers aus (1).
  • Das wohl bedeutendste Insektizid Imidacloprid (s.o.) löst vergleichbare Symptome aus. Studien zeigten, dass Konzentrationen von ca. 100 ppb (in Futter-Zuckerlösungen) bei 43 % der Bienen Rückkehrzeiten von mehr als zwei Stunden bewirkten, 16 % kamen nicht zurück. 20 ppb erzeugten wahrnehmbare (sublethale) Effekte. Blütenpflanzen am Rand behandelter Monokulturen enthielten über 100 ppb am Tag der Saat (durch Staub aus der Saatgutbeize, s.o.), und noch ca. 10 ppb 3 Tage später. Die Konzentration in Pollen der behandelten Kulturpflanzen (z. B. Mais oder Sonnenblumen) betrug 1-5 ppb (1).
    Aus diesen Zahlen wurde, in einem konstanten Disput zwischen Herstellerindustrie und Genehmigungsbehörden / Bienenlobbyisten, abgeleitet, dass die Gefahr aus der Einzelwirkung heraus gering sei.
    Unberücksichtigt blieben die möglichen Wechselwirkungen unterschiedlicher Wirkstoffe untereinander.  

Eine wissenschaftlich nicht abgesicherte, jedoch häufig vertretene Meinung sagt aus, dass CCD, mit dem Symptom der Desorientierung, auf ein multiples Stress- / "Aids"-Syndrom zurückzuführen ist, das durch ein "Zuviel" an diversen schädigenden Einflüssen (Varroa, Bakterien, Viren, ein Cocktail an Schadstoffen, Mangelernährung, "Jet lag"-Stress) ausgelöst sei. 

 
  "Wilder" Wabenbau (außerhalb der vorgesehenen Brutwabenrahmen). In Originallage hängen die Waben um 180 Grad gedreht in einem Freiraum innerhalb des Bienenstocks von der Decke.
Mannheim 2012 

An Versuchen, die Schlüssel-Sensitivität gegenüber der Varroa-Milbe zu reduzieren, fehlte es nicht.
Ab 2000 wurde eine russische Rasse von Apis mellifera durch Züchtung optimiert, die ohne chemische Behandlung überlebt. Sie zeigt ein hinreichendes Pflegeverhalten (Gegenseitiges Entfernen von Milben). Die Nachteile dieser Rasse für den Züchter - langsamer Stockaufbau im Frühjahr, starkes Schwärmen - verhinderten bisher eine breite Kommerzialisierung.
Ein anderer Weg wäre, von den "afrikanisierten Bienen" (den sogenannten "Killerbienen": Eine Kreuzung mit afrikanischen Bienen, die um 1957 versehentlich einer brasilianischen Forschungseinrichtung entkamen und sich um 1990 bis in die USA verbreitet hatten; sie greifen im kompletten Schwarm an) oder den verwilderten Bienen zu lernen, die kleinere Waben bauen. Statt der in kommerziellen Stöcken vorgegebenen 5,4 mm bauen sie Waben unterschiedlicher Größe bis herunter zu 4,6 mm, was zu geringeren Brut-Entwicklungszeiten führt, die kaum mehr zum Schlüpfen der Varroa ausreichen. In Körben ohne Wabenraster bauen die Bienen automatisch variabel und kleiner, und können ohne Varroa-Behandlung überleben. Der kommerzielle Nachteil: Die (natürlichen) Waben aus Wachs können nicht geschleudert werden (1).

Eine weitere Milbenart könnte möglicherweise die Situation für Apis mellifera zusätzlich negativ beeinflussen: Tropilaelaps clareae, die originär auf der weiter oben schon genannten asiatischen Riesenbiene Apis dorsata parasitiert und dort auch Arbeiterbrut befällt, wird von der Biene durch wirkungsvolle Körperhygiene (gegenseitiges Absammeln) und durch häufigeres Schwärmen (Bau neuer Nester, die alte Brut wird aufgegeben) bekämpft. 1961 wurde diese Milbe auf den Philippinen bei Apis mellifera nachgewiesen (4). 

Die Vermutung, dass sublethale Dosen giftiger Wirkstoffe bei dauernder Einwirkung oder in  Kombination miteinander auch schwerwiegende Schädigungen hervorrufen könnten, führte zur verstärkten Forschung auf diesem Gebiet.
So wurde z. B. in einer Studie berichtet, dass das gegen Schimmel auf Gurken und Kürbis wirkende Fungizid Propamocarb (ein Aminocarbamat) in einem synergistischen Effekt die Wirkung von Neonicotinoide vertausendfacht (1). Eine andere Studie zeigte, dass geringe Mengen des Neonicotinoids Imidacloprid (5 bzw. 20 ppb im Futter) die Anfälligkeit der Bienen gegen den Nosema-Pilz stark erhöhte (3).

Fazit:
a) Eine gewisse Form der Landwirtschaft, nämlich die Monokultur auf großen Flächen ohne hinreichende Ausgleichsflächen in Flugnähe, hat sich von einer einzigen Bestäuberspezies, der westlichen Honigbiene, extrem abhängig gemacht.
b) Ein einziger Schädling - Varroa destructor - der, Ironie des Schicksals, durch menschliche Aktion aus seinem angestammten Habitat Asien nach Europa eingeschleppt wurde, breitete sich rasch global (mit Ausnahme von Australien) aus und stellte die selbständige Überlebensfähigkeit der westlichen Honigbiene in Frage.
c) Der Cocktail an absichtlich (Pestizide im Bienenstock) und unabsichtlich (Pestizide in der Landwirtschaft) aufgenommenen Wirkstoffen führte gemeinsam mit anderen Faktoren, gemessen an den Völkerverlusten pro Saison, zeitweise zu einer Verschlechterung der Bienengesundheit.
Insgesamt eine Situation, die man kaum als stabil und befriedigend bezeichnen würde.

 
     Quelle: Daten aus
   Rote Liste der Bienen Deutschlands
   Darstellung durch Autor, Zahlen gerundet

Immerhin hat man, getrieben durch die oben genannte hohe wirtschaftliche Bedeutung von Apis mellifera, inzwischen ein so großes wissenschaftliches Verständnis, dass man die Risikobereiche zumindest qualitativ beschreiben kann - für die 20000 Wildbienenarten gilt dies nicht.
Die "Rote Liste der Bienen Deutschlands" von 2007 weist von 555 in Deutschland beheimateten und betrachteten Wildbienenspezies 7 % als ausgestorben oder verschollen (Bezugsjahr 1980), 41 % als bestandsgefährdet und 37 % als ungefährdet aus (s. Graphik rechts). 

Gewürzvanille, die Frucht der Vanilleorchidee, ursprünglich heimisch in Mexiko, kann nur von wenigen Bienenarten (und einigen Kolibris) bestäubt werden. Deren wichtigste, eine stachellose Biene aus dem Stamm der Meloponini, wurde so selten, dass heute, auch in Mexiko, Vanille im kommerziellen Anbau ausschließlich mit der Hand bestäubt wird (1).  

 


 

Literatur:
(1) R. Jacobsen, "Fruitless Fall", 2008   
(2) A. Benjamin, B. McCallum, "A World without Bees", 2009
(3) J. S. Pettis et al., "Pesticide exposure in honey bees results in increased levels of the gut pathogen Nosema", The Science of Nature, 2012; aus: ADIZ (Allg. deutsche Imkerzeitung) 3/2012
(4) B. Oldroyd, S. Wongsiri, "Asian Honeybees", 2006