_ "Dilemma - Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen"

__ Zweite Auflage; G.Mair, Novum Verlag, 2023

Ein zeitlicher Katzensprung vom euphorischen Start zum Menetekel der Existenzbedrohung

 

2. Plan und Wirklichkeit
 

Was war in den kurzen 11 Jahren zwischen der Gründung des Euro und der Griechenland-/Eurokrise passiert?

1992 wurde mit dem Vertrag von Maastricht die Grundsteinlegung für den Euro vorbereitet. In der damals wie heute gültigen Erkenntnis, dass nur Staaten mit vergleichbarem Haushaltsverhalten langfristig in derselben Währung gut aufgehoben sind, wurden Konvergenzkriterien festgelegt:
Maximal 3 % jährliche Neuverschuldung, öffentlicher Schuldenstand maximal 60 % des BIP (Bruttoinlandprodukt), Inflationsrate maximal 1,5% über den besten drei Ländern, Geldmarktzinsen maximal 2% über den besten drei Ländern. Siehe auch: Geschichte des Finanzwesens

Die Kriterien waren weitsichtig gewählt: Hätte sie jedes Mitgliedsland eingehalten, wäre die Euro-Welt noch in Ordnung.

Ein Kohäsionsanteil der EU-Ausgaben (heute ca. 45 %) sollte den schwächeren Ländern helfen, auf Niveau zu kommen. Siehe auch: Zahlen zu Euroland

1999 wurde der Euro von 11 Ländern aus der Taufe gehoben, 2001 folgte Griechenland, 2007-2009 Slowenien, Malta, Zypern und die Slowakei.

In den folgenden 10 Jahren profitierten alle Länder von den günstigen Eurozinsen, einige begannen jedoch, deshalb oder trotzdem, sich höher zu verschulden als andere. Die Vorteile von Euroland verführten dazu, kurzfristigen Nutzen über nachhaltige nationale Stabilität zu stellen.

Die (Gesamt-)EU konstatierte, auch aufgrund der Osterweiterung, politische Handlungsschwächen und begann / versuchte einen Selbstoptimierungsprozess einzuleiten.

Ein 2004 unterzeichneter EU-Verfassungsvertrag scheiterte an der mangelnden Ratifikation einiger Mitgliedsländer.
Der (abgeschwächte) Vertrag von Lissabon wurde zwei Jahre nach Unterzeichnung als letztes von Irland ratifiziert, nach einer Zitterpartie beim zweiten Referendum, und trat 2009 in Kraft.
Ohne an dieser Stelle auf Details einzugehen, sind dort Zeichen zu sehen, die Kompetenzen der EU klarer zu definieren, die Handlungsfähigkeit nach außen und innen zu stärken, und die Selbstorganisation (Vertragsänderungsverfahren) zu vereinfachen.
Zu mehr Details siehe: Lissabon-Vertrag / Wikipedia und Wegweiser durch Lissabon-Vertrag

2008 brach durch das Platzen der Immobilienblase in den USA die globale Finanzkrise aus, eine Krankheit, deren Keime zum Teil schon Jahrzehnte vorher gelegt, und deren Nährboden ständig gedüngt worden war. Siehe auch: Finanzkrise 2008
Dieser Virus trieb das schwächste Mitglied, Griechenland, das sich die Jahre zuvor nicht eben durch vorbildliches Haushaltsverhalten hervorgetan hatte, durch die Bewertung des Marktes - Zinserhöhung auf Staatsanleihen bis zu 25 % - bis April 2010 an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.
Am Wochenende des 2.5.10 verabschiedeten die Finanzminister der Eurostaaten einen Rettungsschirm über 110 Mrd. Euro (davon 80 Mrd. aus Euroland, 30 Mrd. vom IWF (Internationaler Währungsfonds)), eine Entscheidung, die "ohne Alternative für die Stabilität des Euro" gewesen sei: Internationaler Rettungsplan für Griechenland

Vier Tage später, am 6.5.10 ereignete sich ein 5-Minuten-Crash an der New-Yorker Börse, die Spekulation gegen Griechenland und weitere Länder verstärkte sich wieder, und nur weitere drei Tage später, am 9.5.10, Sonntagnacht bis Montagmorgen, wurde panikartig ein Rettungsschirm für alle Eurostaaten beschlossen. Siehe auch: Börse in Panik

Der Presseartikel Gnadenlos mit allen Mitteln beschreibt einerseits die Hektik der offenbar erlebten Notsituation, andererseits auch die Wahrnehmung einer Führungsrolle durch Frankreich und Deutschland.
Ca. einen Monat später einigten sich die Finanzminister der Eurostaaten endgültig auf den Euroland-Rettungsschirm von ca. 750 Mrd. Euro, für den jedes Land entsprechend seiner Leistungsfähigkeit (BIP-Anteil) haftete. Siehe FAZ vom 7.6.10: Rettungsschirm für Euro-Staaten

Zu diesem Zeitpunkt stellten sich dem interessierten Laien mehrere Fragen:

  1. Was war die Motivation, "für die Rettung des Euro" an einem Wochenende einen Schlachtplan auszuarbeiten, unter Missachtung der "Eisernen Regel" der No-Bail-Out-Klausel (kein Euroland soll für ein anderes haften)?
  2. Warum ließ man Griechenland nicht bankrott gehen?
  3. Warum gelang die Rettungsschirm-Aktion in zwei Tagen, wenn andererseits um Details des Verfassungs- bzw. Lissabon-Vertrages teilweise monatelang gerungen wurde?

 

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